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Bremen Schüler lernen auf dem Heimtrainer

Lernen auf dem Ergometer - für eine Bremer Klasse ist das inzwischen Schulalltag.

01.06.2017, 23:01

Bremen (dpa) l Sein Referat bereitet der zehnjährige Aldin auf dem Heimtrainer vor. „Die Tiere passen sich an ihren Lebensraum an“, schreibt er in sein Heft, während er gleichmäßig in die Pedalen des Ergometers tritt. Auf dem Tisch, der über dem Fitnessgerät aufgebaut ist, hat der Fünftklässler verschiedene Unterlagen über Wirbeltiere ausgebreitet. Bald soll er in einer Präsentation erklären, wie Tiere sich tarnen. Dass er dabei Rad fahren kann, gefällt ihm. „Das macht sehr viel Spaß“, sagt er.

Drei Ergometer mit hohen Tischen stehen seit Februar in der Klasse 5b der Oberschule an der Ronzelenstraße in Bremen. Jeweils 3 der 22 Schüler verfolgen den Unterricht auf dem Rad, nach 15 Minuten wird gewechselt. „Man kann sich besser konzentrieren, wenn man fährt“, sagt der elfjährige Eser, der gerade an einer Präsentation über Kaiserpinguine arbeitet. „Ich bin lieber auf dem Rad als auf dem Stuhl.“ Die zehnjährige Daliah sieht das ähnlich. „Ich finde es langweilig, auf dem Platz zu sitzen. Auf dem Ergometer kann ich mich auspowern. Ich kann mich hier besser konzentrieren.“

Die Bremer Schule ist nach Angaben des Projektleiters Harald Wolf die zweite in Deutschland, die Ergometer im Unterricht einsetzt.

„Ich halte das für einen unglaublich innovativen Weg“, sagt der Sportwissenschaftler der Universität Göttingen, Arne Göring. Es sei gut, Bewegung in den Klassenraum zu holen und systematisch zu nutzen. „Bewegung regt den Kreislauf an und fördert die Durchblutung des Gehirns.“ Dies könne sich positiv auf die Lernleistung auswirken. Aber: „Ein Teil der Aufmerksamkeit wird auch auf die Bewegung gelegt.“ Es könnte sein, dass sich manche Schüler nicht voll auf ihre Aufgabe konzentrieren.

Die Lehrerin der Bremer Inklusionsklasse 5b, Ursula Böning, sieht in den Rädern eine Bereicherung. „Die Kinder sind manchmal bis 16 Uhr in der Schule. Dann sitzen sie sehr viel“, sagt sie. Auf den Rädern könnten sie sich abreagieren. Für den Unterricht seien die Ergometer hilfreich. Als sie einigen Jungs in der Textilgruppe neulich Nadel und Faden in die Hand gegeben habe, sei die Ablehnung groß gewesen. „Sie haben dann auf dem Rad genäht. Das war besser.“

Klassenlehrer Dirk Baumgartner nutzt die Ergometer auch, um Themen zu vermitteln. Ihm zufolge bekommen die Kinder ein besseres Bewusstsein für ihren Körper, wenn sie auf dem Display sehen, wie sich ihre Herzfrequenz verändert oder wie viele Kilojoule sie beim Treten verbrauchen.

Die Auswirkungen auf das Verhalten und die Leistungen der Bremer Schüler sollen auch wissenschaftlich untersucht werden. Unter anderem ist eine Zusammenarbeit mit der Universität Rostock geplant, um die Auswirkungen auf beeinträchtigte Kinder zu beleuchten.