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Leihmutter Fünf Eltern und doch Waise

Italien setzt sein Verbot der Leihmutterschaft in einem besonderen Fall durch. Der Menschenrechtsgerichtshof gibt dem Land Rückendeckung.

Von Claudia Kornmeier 24.01.2017, 23:01

Straßburg (dpa) l Am 27. Februar 2011 wird in Moskau ein Junge geboren. So viel steht fest. Bereits auf die scheinbar simple Frage nach den Eltern gibt es viele Antworten: Ist es das italienische Paar Donatina und Giovanni? Die russische Leihmutter? Oder doch die beiden Unbekannten, die ihren Samen und ihre Eizellen gespendet haben?

Am Ende fehlt dem Kind formal sogar über Monate eine Identität. Es wird Donatina und Giovanni weggenommen, kommt in ein Waisenhaus, später zu einer Pflegefamilie. Vor dem Menschenrechtsgerichtshof wehrt sich das Paar dagegen – letztlich erfolglos. Am Dienstag lehnen die Straßburger Richter ihre Beschwerde endgültig ab. Die italienischen Behörden durften das Kind den Wunscheltern wegnehmen, um „Unordnung zu verhindern“.

In Italien, dem Heimatland von Donatina und Giovanni, ist die Leihmutterschaft nämlich verboten – wie in Deutschland. Russland hat dagegen – wie etwa auch die Ukraine oder die USA – weniger Probleme. Vom Wunsch beseelt, ein Kind zu haben, ohne langwierige Adoptionsverfahren durchstehen zu müssen, ist das Paar nach Moskau gereist und hat dort einen Leihmutterschaftsvertrag abgeschlossen.

Besonders – und für die Entscheidung der Straßburger Richter mit ausschlaggebend an dem Fall ist, dass weder er noch sie genetisch mit dem Kind verwandt sind. Ob der Italiener das nun wusste oder in der Klinik irgendetwas nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen, blieb unklar. Die italienischen Behörden stellten den guten Glauben des Paares jedenfalls infrage. Sie warfen ihm Narzissmus vor, die beiden hätten mit dem Kind ihre Beziehungsprobleme lösen wollen.

Worum es wohl eher ging: um die Durchsetzung der Wertvorstellung, dass eine Leihmutterschaft nicht sein darf. In erster Instanz hatte das Menschenrechtsgericht Italien dazu verurteilt, dem Paar eine Entschädigung zu zahlen. Der Verweis auf die öffentliche Ordnung könne kein Freibrief sein. „Ein Kind aus einer Familie zu nehmen, ist eine extreme Maßnahme, die nur als letztes Mittel in Betracht kommen sollte“ – und zwar dann, wenn das Kind wirklich gefährdet ist. In zweiter Instanz rückte das Kindeswohl nun in den Hintergrund und das Interesse des Staates in den Vordergrund.

Warum aber ist die Leihmutterschaft in so vielen europäischen Ländern verboten? „Der Gesetzgeber befürchtet eine Kommerzialisierung“, sagt Medizinrechtler Hans-Georg Koch. „Denn die Frau, die das Kind über neun Monate lang austrägt, muss ja irgendwie entschädigt werden.“ Außerdem: Was passiert, wenn das Kind nicht wie vorgestellt ausfällt – es behindert ist oder Zwillinge geboren werden? Oder die Leihmutter überlegt es sich anders und will das Kind behalten?

Trotz des Verbots nehmen auch Deutsche immer häufiger Leihmütter in Anspruch – eben im Ausland, sagt Rechtsanwalt Rolf Behrentin. „Bei mir nehmen die Fälle seit ein paar Jahren zu.“ Befördert haben dürfte dies eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2014. Die Karlsruher Richter erkannten damals ein schwules Paar als Eltern für ein Kind an, das eine Leihmutter in den USA ausgetragen hatte.

Ein Fall wie der in Italien, in dem beide Partner nicht mit dem Kind verwandt sind, ist in Deutschland noch nicht bekannt geworden. Sicher habe eine solche Konstellation den „Makel einer Bestellung“, sagt Familien-Rechtsanwalt Michael Stern. „Manche Menschen könnten da auf fatale Ideen kommen.“ Aber sollten deshalb Paare, die keine Kinder bekommen können, kinderlos bleiben oder auf die Adoption verwiesen werden? „Da knallen viele Argumente aufeinander“, sagt Stern.