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Neugeborene Höchste Geburtenrate seit 30 Jahren

Trotz der hohen Geburtenrate liegen die Deutschen im Vergleich zu ihren EU-Nachbarn weiterhin zurück.

15.05.2017, 23:01

Wiesbaden (dpa) l Frankreich ist mit einer Geburtenziffer von durchschnittlich 1,96 Kindern je Frau das gebärfreudigste Land in der EU, während Portugal mit 1,31 Kindern pro Frau das Schlusslicht bildete. Im Jahr 2009 lag der Durchschnittswert in Deutschland bei 1,36 und stieg seither kontinuierlich. Trotzdem bekommen die Frauen in vielen anderen europäischen Ländern mehr Kinder.

Wie schneidet Deutschland im EU-Vergleich ab?

Trotz des Anstiegs liegt Deutschland im Jahr 2015 bei der Geburtenziffer von durchschnittkich 1,5 Kindern pro Frau auf dem 16. Platz von 28 EU-Ländern. Im EU-Durchschnitt bekommen die Frauen 1,58 Kinder. Frankreich führt die Liste mit 1,96 Kindern je Frau an, gefolgt von Irland (1,92) und Schweden (1,85). Schlusslicht sind Portugal (1,31) sowie Polen und Zypern (je 1,32).

Warum werden die Frauen in Deutschland wieder häufiger Mutter?

Akademikerinnen in Deutschland bekommen wieder mehr Kinder – nach Einschätzung von Martin Bujard, Forschungsdirektor beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, ein Beleg dafür, dass die Familienpolitik Wirkung zeigt. Außerdem sind die meisten Zuwanderer jung und tragen aktuell zumindest kurzfristig zu einer erhöhten Geburtenziffer bei, ergänzt Sebastian Klüsener vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung.

Warum haben Frauen in anderen EU-Staaten mehr Nachwuchs?

Der wichtigste Grund für das Geburtentief in Deutschland ist, dass sich so wenige für drei Kinder oder mehr entscheiden, wie Bujard sagt. „In Frankreich, den USA und Skandinavien haben viel mehr Paare ein drittes Kind.“ Die Zwei-Kind-Norm in Deutschland – am besten Junge und Mädchen – sei kulturell bedingt und werde oft gar nicht hinterfragt.

Woher kommt das?

Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung ergab, dass sich der Anteil von Geburten eines dritten Kindes Ende der 1950er bis Ende der 1960er Jahre plötzlich enorm reduziert hat, wie Bujard berichtet. „Kinderreiche Familien galten zunehmend als asozial.“ Als Gründe nennt Bujard die aufkeimende Debatte über die Überbevölkerung auf der Erde. Gut gebildete Menschen hätten damals zudem oft nur zwei Kinder gehabt und damit als Avantgarde gegolten. So sei die Anti-Baby-Pille zunächst vor allem Frauen verschrieben worden, die das dritte Kind vermeiden wollten.

Ist eine Änderung in Sicht?

„Die 20- bis 39-Jährigen sind sehr positiv gegenüber kinderreichen Familien eingestellt, nehmen aber eine gewisse Stigmatisierung wahr“, beschreibt Bujard die Ergebnisse einer neuen Studie. Da diese Stigmatisierung von der älteren Generation ausgehe, sei ein kultureller Wandel möglich.

Ist das Schrumpfen der Bevölkerung gestoppt?

Nein. Dafür wären rechnerisch 2,1 Kinder pro Frau notwendig. Die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter in Deutschland ist derzeit einfach deutlich niedriger als die der alten Menschen. „Die Kinder, die vor 30 Jahren nicht geboren wurden, können heute nicht Mütter sein“, sagt Bujard. Erst ab 2040 sei mit einer Verringerung der Lücke zwischen den Geburten und den Sterbefällen zu rechnen, sagt Bevölkerungswissenschaftler Klüsener.

Warum liegen Portugal und Polen bei den Babys so weit hinten?

In Portugal (1,31) und Spanien (1,33) hätten viele Frauen ihren Kinderwunsch in der Finanzkrise erst einmal aufgeschoben, sagt Klüsener. „Das drückt die Geburtenziffer.“ In Polen (1,32) sei dagegen die Datenbasis schwierig, weil das osteuropäische Land bei der Bevölkerung die ausgewanderten Polen mitzähle, nicht aber die Kinder, die sie im Ausland bekämen. „Die Geburtenziffer könnte bis zu zehn Prozent über den veröffentlichten Zahlen liegen.“