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Prozess Drei Jahre Haft für falschen Aida-Arzt

Der in Stendal geborene Pfleger hat sich jahrelang als Arzt ausgegeben.

08.08.2016, 23:01

Berlin/Stendal (dpa) l Die erlogene Karriere bringt ihn ins Gefängnis: Ein falscher Arzt, der zuletzt Aida-Kreuzfahrtgäste behandelte, soll für drei Jahre in Haft. Der gelernte Krankenpfleger schluckt, als er am Montag das Urteil des Berliner Landgerichts vernimmt. Auf Nachfrage der Volksstimme, teilt eine Gerichtssprecherin mit, der Pfleger sei in Stendal geboren, wo er auch seine Ausbildung zum Krankenpfleger von 1996-1999 absolvierte.

„Er hatte jeden Tag Ärzte vor der Nase und sah für sich keine Aufstiegsmöglichkeit“, sagt Richter Frank Klamandt. Es sei dem Angeklagten auch darum gegangen, sich selbst aufzuwerten und mehr Geld zu verdienen. Der 41-jährige Angeklagte aus Stendal senkt den Kopf. Zehn Jahre war er in einem Krankenhaus in Stendal tätig – engagiert und gelobt. „Doch er wurde mit seiner beruflichen Situation zunehmend unzufriedener“, so der Richter. Der Krankenpfleger nahm eine Auszeit. Sie endete mit dem kriminellen Plan, sich den Aufstieg zum angeblichen Anästhesisten mit Fälschungen selbst zu basteln.

Knapp sechs Jahre später ist nun das Urteil gefallen: Schuldig der Körperverletzung in 63 Fällen, der Freiheitsberaubung im Zusammenhang mit vorgenommenen Narkosen sowie des Betrugs, der Urkundenfälschung und des Missbrauchs von Titeln. Patienten seien nach bisherigen Feststellungen nicht zu Schaden gekommen. Doch Risiken hätten bestanden. „Er wäre nicht in der Lage gewesen, bei Komplikationen einzugreifen“, erklärt Klamandt.

Am Computer hatte er sich eine gefälschte Arztzulassung und die Bestätigung eines „Dr. med.“ gefertigt. Dem Hochstapler ohne Abitur und Studium gelang es, eine Stellung bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) zu erhalten. Dass der angebliche Anästhesist nur Kopien einreichte, wurde nicht beanstandet. Es habe auch keine Nachfragen gegeben, so das Gericht. Der Krankenpfleger wurde ärztlicher Koordinator. Wenig medizinische Tätigkeiten, zumeist Organisatorisches habe er erledigen müssen, sagt der Richter. „Das hat er gut ausgeführt.“ Zudem wurde der Angeklagte Dozent und unterrichtete an der Berliner Charité Krankenschwestern und Pfleger. Er nahm auch eine Vertretung als Narkosearzt an und stand in 41 Fällen im OP-Saal einer Praxisklinik.

Der Angeklagte habe sich schließlich als Schiffsarzt beworben. „Das waren ganz andere Anforderungen“, sagt der Richter. „Da geht es um klassische Hausarzttätigkeit – dazu war er nicht in der Lage.“ Innerhalb von zehn Monaten etwa 1300 Behandlungen auf einem Aida-Kreuzfahrtschiff kamen zusammen. 21 der Fälle, in denen er Spritzen setzte oder Infusionen legte, flossen in die Anklage ein.

Es ging für alle Patienten gut aus. „Wir konnten nicht feststellen, dass es durch den Angeklagten zu einem Behandlungsfehler kam“, fasst der Richter zusammen. Und zu keinem Zeitpunkt seien bei seinen Kollegen Zweifel an seiner Kompetenz aufgetreten. Ein Zeuge hatte im Prozess sogar erklärt: „Er war der beste Arzt, den wir hatten.“

Der Angeklagte wischt sich eine Träne aus dem Auge. Er hatte auf eine Bewährungsstrafe gehofft. Die Richter folgten aber der Anklage, die drei Jahre und zehn Monate Haft verlangt hatte. Ob Rechtsmittel eingelegt werden, blieb offen. Bis zur Rechtskraft des Urteils kam der falsche Arzt nach acht Monaten Untersuchungshaft zunächst frei. Er will nun die Branche wechseln: Ein Dokumentarfilmer habe ihm eine Stelle angeboten.