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Rückenleiden Ärzte röntgen zu schnell

Bei Schmerzen im Kreuz reagieren Patienten und Ärzte häufig übertrieben. Bildgebende Verfahren können auch kontraproduktiv sein.

22.11.2016, 23:01

Gütersloh(dpa) l Rückenschmerzgeplagte Patienten werden einer neuen Studie zufolge noch immer zu häufig geröntgt oder in den Tomographen geschoben. Die meisten Patienten überschätzen dabei den medizinischen Nutzen von bildgebenden Verfahren bei Rückenschmerzen, so das Ergebnis einer am Dienstag vorgestellten Studie mitsamt Patientenumfrage der Bertelsmann-Stiftung. Demnach geht jeder fünfte Versicherte mindestens einmal im Jahr wegen Rückenschmerzen zum Arzt. Auch wenn die Zahl der Röntgen-untersuchungen bei Rücken-beschwerden seit 2009 leicht rückläufig ist, halten die Experten der Bertelsmann-Stiftung noch immer viele der sechs Millionen Bildaufnahmen mit Röntgengerät, Computer- oder Magnetresonanztomograph (CT/MRT) für vermeidbar.

Insgesamt wurden 2015 pro 1000 Patienten mit Rückenschmerzen 375 Bilder erstellt – zu viel, kritisieren die Experten. So wurde jeder fünfte Patient bereits im Quartal der Erstdiagnose durchleuchtet. Dabei empfehlen die medizinischen Leitlinien dies frühestens, wenn herkömmliche Therapien wie Schmerzmittel oder Krankengymnastik keinen Erfolg hatten. In über der Hälfte der Fälle hatte es jedoch vor der Bildaufnahme gar keinen Therapieversuch gegeben.

Bei jedem sechsten Patienten veranlassten Mediziner eine Aufnahme, ohne dass es Warnhinweise auf einen ernsthaften Krankheitsverlauf gab, etwa Lähmungen oder Brüche. Ohne solche Hinweise sehen die Leitlinien keinen Anlass für ein Bildgebungsverfahren.

Gleichzeitig offenbart die Studie erhebliche regionale Unterschiede im Verhalten der Patienten und Ärzte: Im Osten durchleuchten Hausärzte und Orthopäden Rückenschmerz-Patienten um bis zu ein Drittel seltener als im Rest der Bundesrepublik.

Allerdings können Ärzte auch mit bildgebenden Verfahren meistens keine spezifische Ursache für den Schmerz feststellen. 60 Prozent der Befragten erwarten schnellstens eine Untersuchung mittels bildgebender Verfahren, um dem Schmerz auf den Grund zu gehen.

Solche Erwartungen rückten die Ärzte häufig nicht zurecht, kritisieren die Experten der Bertelsmann-Stiftung. Weitere unnötige Untersuchungen und eine Verunsicherung des Patienten seien die Folge. Schlimmstenfalls könnten Schmerzen chronisch werden, weil Patienten kränker gemacht werden, als sie sind.