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Rotkäppchen Auf dem Weg nach Übersee

In anderen Ländern ist der deutsche Sektriese Rotkäppchen-Mumm ein Zwerg. Nun rückt das Auslandsgeschäft in den Fokus.

30.07.2015, 23:01

Freyburg l Der deutsche Kaiser Wilhelm II. muss ein großer Anhänger der Sektkellerei aus Freyburg gewesen sein. 1903 hält das preußische Militär im Saale-Unstrut-Gebiet ein sogenanntes Kaisermanöver ab. Danach soll Wilhelm II. diesen denkwürdigen Satz gesagt haben: „Die Sekte von Kloss & Foerster sind sehr bekömmlich. Ich kann mit vollem Recht behaupten, dass ich es gewesen bin, der sie in vielen Offizierkasinos eingeführt hat.“ Kloss & Foerster legen mit ihrer Sektkellerei den Grundstein für den Erfolg der Marke Rotkäppchen (siehe Infokasten). Drei Jahre später, am Tag des fünfzigjährigen Jubiläums der Kellerei, berichten die Sekthersteller stolz von den Handelsstätten in aller Welt, an denen die Firma eigene Niederlassungen unterhält.

Fast 110 Jahre später sitzt Christof Queisser an einem runden Tisch in den historischen Sektkellereien in Freyburg. Es ist der Tisch, an dem auch die Herren Kloss und Foerster Entscheidungen trafen, die für ihr Unternehmen richtungsweisend gewesen sind. Vielleicht wird auch die neue Strategie von Christof Queisser, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm, einmal als wegweisend gelten.

Denn Queisser, erst seit zwei Jahren Chef in Freyburg, will für seinen Sekt neue Märkte im Ausland erschließen. Geschichten wie die von Kaiser Wilhelm II. sollen dabei helfen. Queisser setzt für das Geschäft in fernen Ländern voll auf Tradition. „Im Ausland genießen Produkte aus Deutschland einen sehr guten Ruf. Wir haben mit dem Erfolg von Rotkäppchen eine Geschichte zu erzählen, die international attraktiv ist“, erklärt Queisser.

Der 45-Jährige hat seinem Unternehmen eine Zehn-Jahres-Strategie auferlegt. Bis 2025 sollen mindestens zehn Prozent der Flaschen ins Ausland verkauft werden. Im vergangenen Jahr gingen rund 167 Millionen Flaschen Sekt der Kellereien über den Ladentisch, nahezu ausschließlich in Deutschland. Nach aktueller Berechnung sollen 2025 also mindestens 16 Millionen Flaschen in andere Länder verkauft werden. „Wir stecken uns langfristige Ziele, aber verfolgen die konsequent“, sagt Queisser.

Im Auslandsgeschäft setzt Rotkäppchen auf seine Kernmarke, den Sekt. Kanada, Russland und Asien haben die Freyburger zu den ersten Zielmärkten erklärt. Diese Länder hätten eine ähnliche Trinkkultur wie wir Deutschen, sagt Queisser. In kanadischen Liquor-Stores steht die Sektmarke bereits in den Regalen. Allerdings in einer alkoholfreien Variante. Bei den Werbemotiven für den prickelnden „The Real Bubbly“ setzt Rotkäppchen auf die neue Leichtigkeit. Zwei Frauen amüsieren sich im Park, sitzen auf einer Decke, trinken Sekt aus Piccolo-Flaschen. Ihre Kleider sind weiß und rein, die Blumen bunt. „Der Trend geht hin zu einem leichteren Genuss“, sagt Queisser.

Doch Erfolg im Ausland gibt es nicht umsonst. Das geht Schritt für Schritt, erklärt der Chef. Oder eben Schluck für Schluck. In Kanada arbeitet Rotkäppchen mit einem Distributeur zusammen, der die Kontakte zum Einzelhandel und zu Gastronomen knüpft. Wie viel Rotkäppchen für die Internationalisierung ausgibt, will Queisser nicht verraten. Aber das Budget der Sektkellereien für Werbemaßnahmen ist traditionell hoch. Der frühere Chef Gunter Heise bezifferte das Marketingbudget im Jahr 2010 einmal auf 20 Millionen Euro.

Neben dem Geschäft mit der eigenen Marke plant der Rotkäppchen-Vorstand auch mit Zukäufen den Absatz im Ausland anzukurbeln. „Wir schauen mit offenen Augen in der Welt nach Marken, die zu uns passen“, sagt Christof Queisser. Gleiche Werte, gleiche Ansprüche an Qualität, starke Verwurzelung in dem jeweiligen Land sind für den Boss die Maßstäbe bei künftigen Kaufentscheidungen.

Dass die Kasse für Übernahmen gut gefüllt ist, hat das Unternehmen erst vor wenigen Tagen bewiesen. „Rotkäppchen braucht was Härteres“, schrieb eine deutsche Wirtschaftszeitung zur Übernahme der Spirituosenmarken der ehemaligen Likörfabrik Zahna (Landkreis Wittenberg). Die Marken wie Fläminger Jagd und Asmussen Rum werden fortan im Konzern produziert und vertrieben. Die Kräuterlikör-Kompetenz von Rotkäppchen-Mumm soll so gestärkt werden.

„Wir sind mit unseren Marken regional tief verwurzelt. Insofern haben die neuen Produkte ausgezeichnet zu uns gepasst“, so Queisser. Zum Kaufpreis macht er keine Angaben. Aber auch ohne Zukäufe läuft das Geschäft in Deutschland für Rotkäppchen auf Hochtouren. Im vergangenen Jahr haben die Sektkellereien bei Umsatz und Absatz wieder zugelegt und die führende Stellung auf dem deutschen Sektmarkt weiter ausgebaut. Vor allem das Geschäft mit Weinmischgetränken lässt in Freyburg die Korken knallen.

Die fruchtig-frischen Mixgetränke sind vor allem bei Frauen beliebt. Nach der Markteinführung hat Rotkäppchen im vergangenen Jahr aus dem Stand rund 12 Millionen Flaschen verkauft. „Damit haben wir den Zeitgeist getroffen“, sagt Queisser, der in dem Segment in diesem Jahr erneut ein zweistelliges Wachstum prognostiziert.

Dass Rotkäppchen den Sprung über die Landesgrenzen wagt, ist eine Zäsur für das Unternehmen, das bisher eher konservativ geführt worden ist. Als vor drei Jahren erste weinhaltige Mischgetränke den Weg in den Mark fanden, beobachtet die Chefetage sehr genau. „Wir springen nicht auf jeden Trend auf“, sagt Queisser und hält sich an einen alten kaufmännischen Ratschlag. „Die erste Flasche verkauft die Neugierde, die zweite die Qualität.“ Mit diesem Leitspruch macht sich Rotkäppchen nun auf nach Übersee.