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Flüchtlinge Mehr Helfer als Fachkräfte

Die Bundesagentur für Arbeit hat herausgefunden, dass nur wenige der hier angekommenen Menschen ausreichend qualifiziert sind.

13.09.2015, 23:01

Magdeburg l Zwischen Januar und August sind mehr als 4200 Flüchtlinge aus Syrien in Sachsen-Anhalt angekommen. Ein Teil von ihnen hat bereits eine Aufenthaltsgenehmigung und somit Anspruch auf staatliche Leistungen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Halle beziehen inzwischen knapp 1000 Syrer Hartz IV, der Wert ist in den vergangenen Monaten stetig gestiegen.

Gegenüber der Volksstimme macht die BA nun erstmals auch Angaben darüber, welche Beschäftigungsperspektiven die Menschen haben. Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass die meisten von ihnen nur Helfertätigkeiten ausüben können – wenn sie nicht weiterqualifiziert werden. Von den derzeit 1000 Hartz-IV-Empfängern suchen 682 nun zunächst eine Stelle als Hilfskraft. Lediglich 106 streben einen Job als Fachkraft an, 46 wollen als Hochqualifizierte unterkommen.

Die Zahlen belegen, es sind bei Weitem nicht nur Ärzte und Techniker, die Syrien verlassen haben, sondern viele Menschen mit geringeren Qualifikationen. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei Menschen, die aus anderen Krisenländern nach Sachsen-Anhalt geflohen sind. Von 268 Irakern, die eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis und Anspruch auf Hartz IV haben, suchen 238 Helfertätigkeiten, lediglich 30 bewerben sich auf Jobs für Fachkräfte.

Neben Syrern bilden Menschen aus Balkan-Ländern die zweitgrößte Gruppe, die in Sachsen-Anhalt Asyl beantragen. Allein aus Albanien kamen zwischen Januar und August 1500 Menschen, doch da die meisten wieder abgeschoben werden, tauchen nur wenige in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit auf. Im August dieses Jahres hatten lediglich 40 Albaner Anspruch auf Hartz IV, 26 von ihnen suchten eine Hilfstätigkeit.

„Wir wollen nichts beschönigen, aber wir wollen auch nicht schwarzmalen“, betont Kay Senius, Regional-Chef der Bundesagentur für Arbeit in Halle. Er ist optimistisch, dass die meisten Menschen dauerhaft Arbeit finden werden, wenn sie die nötige Unterstützung erhalten.

Viele der Hartz-IV-Empfänger würden bereits Sprachkurse absolvieren. „Die Menschen sind ehrgeizig, sie wollen sich hier ein neues Leben aufbauen und arbeiten“, betont Senius. Ein Teil von ihnen müsse sich dann zunächst auch deshalb mit Helfertätigkeiten begnügen, weil Abschlüsse oft erst spät oder gar nicht anerkannt werden. „Wir brauchen nicht nur schnellere Asylverfahren, wir brauchen auch eine schnellere und effizientere Anerkennung von Qualifikationen“, fordert Senius.

Dass die Integration erfolgreich gelingen kann, zeigen die Beschäftigungsdaten der Bundesagentur für Arbeit auf. In Sachsen-Anhalt sind momentan 166 Syrer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nur 42 von ihnen arbeiten als Hilfskräfte, die meisten hingegen als ausgebildete Fachkräfte oder gar als hochqualifizierte Experten. Ähnlich das Bild bei den Irakern. 121 sind derzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt, mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet in Berufen mit höheren Qualifikationsanforderungen.

Angesichts der enormen Flüchtlingszahlen müssen die Angebote für Sprachkurse und Qualifikationsmaßnahmen, also Aus- und Weiterbildungen, nun stark erweitert werden. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will der Bundesagentur für Arbeit bis zu 1,1 Milliarden Euro für Programme zur Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen, weitere 180 Millionen Euro für berufsbezogene Sprachkurse.

Das Land Sachsen-Anhalt will seine Kommunen bei der Integration der Flüchtlinge ebenfalls finanziell unterstützen. Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) erklärte jüngst, den Städten und Gemeinden in den kommenden zwei Jahren jeweils 25 Millionen Euro überweisen zu wollen. Mit dem Geld sollen die Kommunen unter anderem Sprachkurse und Sozialarbeiter finanzieren.

Um den Flüchtlingen, die dauerhaft in Sachsen-Anhalt bleiben, einen möglichst schnellen Berufseinstieg zu ermöglichen, wird die Arbeitsagentur ab sofort in der Zentralen Aufnahmestelle (Zast) in Halberstadt aktiv sein. Ein Arbeitsvermittler und ein Dolmetscher befragen die Asylsuchenden nach ihren Qualifikationen, damit sie später gleich dort untergebracht werden können, wo sie die besten Arbeitsmarktchancen haben. Gleichzeitig fragt die Bundesagentur für Arbeit derzeit bei den Unternehmen in Sachsen-Anhalt ab, wer bereit ist, Flüchtlinge einzustellen.

Auch wenn Flüchtlinge erst die Sprache erlernen und im Zweifelsfall auch eine Ausbildung nachholen müssen, sei das Land auf sie angewiesen, betont Kay Senius. „Nur mit Hilfe der Zuwanderer kann es uns gelingen, Fachkräfteengpässe in unserem Land zu überwinden.“