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Volkswagen Das Ende der Wolfsburger Zentralverwaltung

Volkswagen will sich neu aufstellen. Hätten andere Konzernstrukturen den Abgas-Skandal verhindern können?

Von Felix Frieler, dpa 07.10.2015, 07:15

Wolfsburg (dpa) l Nach dem Abgas-Skandal rollen gewaltige Kosten auf den Volkswagen-Konzern zu, zahlreiche Manager mussten gehen. Dennoch will der neue VW-Chef Matthias Müller eine großangelegte Strukturreform durchdrücken, über der die Führungsetage schon lange vor Bekanntwerden der Diesel-Manipulationen gebrütet hatte.

"Es wird nicht mehr alles hier in Wolfsburg entschieden werden", sagte Müller am Dienstag in seiner Rede auf der VW-Betriebsversammlung. "Schlanker und schneller" soll der Konzern nach Müllers Worten werden: "Ich werde es zum Beispiel nicht akzeptieren, dass Dutzende Experten in Steuerkreisen sitzen müssen oder bei Abnahmefahrten herumstehen, während zu Hause die Arbeit liegen bleibt." Der neue Chef verspricht nicht weniger als einen "Neuanfang".

Bislang lief im VW-Imperium alles über Wolfsburg. Ex-Patriarch Ferdinand Piëch und der frühere Konzernchef Martin Winterkorn mussten zudem immer wieder Kritik für einen autoritären Führungsstil einstecken. Legendär ist ein Video von der Automesse IAA, in dem Winterkorn einen Designer zusammenfaltet. "Da scheppert nix", lobt Winterkorn den Wagen vom Konkurrenten Hyundai, in dem er gerade sitzt.

Mit dem Kommando-Ton im Konzern soll jetzt Schluss sein. "Ich mag es, wenn ein Mitarbeiter für seine Überzeugung einsteht und mit guten Argumenten dafür kämpft", sagt Müller. "Konstruktive Kritik ist bei mir auf allen Ebenen erlaubt." Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh fordert seit langem einen "grundlegenden Kulturwandel" bei Volkswagen. Man müsse auch mit den Chefs "um den besten Weg streiten" dürfen.

Beobachter geben einem "Klima der Angst", das bei VW geherrscht haben soll, auch eine Mitschuld daran, dass die Manipulationen an den Dieselmotoren von 11 Millionen Autos so lange unter dem Teppich blieben. Ob der Betrug aber nicht doch bis nach ganz oben durchdrang, aber schlichtweg niemand reagieren wollte, muss erst noch geklärt werden. Das VW-Spitzenpersonal bestreitet das bislang.

Der Kulturwandel bei VW ist das eine – aber hätte der Strukturwandel, die neue Ordnung im Konzern, Schlimmeres verhindern können? Das Schlagwort beim Konzernumbau lautet Dezentralisierung. Künftig sollen die Marken und Regionen im VW-Konzern mehr Verantwortung bekommen. "Ich finde es nur vernünftig, dass man etwas Neues ausprobiert", sagt Nord-LB-Autoexperte Frank Schwope. "Der Konzern ist inzwischen so groß, dass er nicht mehr zentral zu führen ist."

Fest steht zunächst: Einzelne Konzernmarken werden zu Markengruppen zusammengefasst. Audi, Ducati und Lamborghini bilden einen Verbund, die Luxus-Sportwagenhersteller Porsche, Bentley und Bugatti einen weiteren. Im VW-Konzern richtet sich viel an einer Gleichteilestrategie aus, dem sogenannten Baukastenprinzip.

Vor allem bei den drei Volumenmarken VW, Skoda und Seat werden auf der Basis eines Baukastens Modelle für alle drei Marken konstruiert. Das kann beim Einkauf und bei der Entwicklung Geld sparen. "Bei den Markengruppen wird es sicher um eine Hierarchie gehen, dass neue Modelle zuerst von der wichtigsten Marke der Gruppe eingeführt werden", vermutet Nord-LB-Analyst Schwope.

Doch gerade bei den Volumenmarken soll es keine Markengruppe geben – im Sommer war das dem Vernehmen nach noch geplant. Dafür sollen neben VW künftig auch Skoda und Seat im Konzernvorstand vertreten sein, allerdings nicht wie die Kernmarke VW Pkw durch den Markenvorstand. Zwei Vorstände sollen jeweils eine "Patenschaft" für eine der Marken übernehmen, erfuhr die Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX aus Konzernkreisen. Für die spanische Tochter Seat werde das Beschaffungsvorstand Francisco Sanz übernehmen. Auch die Regionen sollen mehr Gewicht erhalten – vor allem Nordamerika, wo auch der Abgas-Skandal begann.

Hat VW mit der Strukturreform also aus dem Skandal gelernt? Zwar verknüpft Müller die neue Ordnung bei dem Autobauer geschickt mit dem Neuanfang, den er in der Unternehmenskultur durchsetzen will. Viel miteinander zu tun haben beide Pläne aber auf den ersten Blick nicht. "Vor einem solchen Skandal wie bei VW ist kaum ein großer Konzern sicher", sagt Autoexperte Schwope, "egal wie er aufgestellt ist." Am Ende wird die neue Struktur vor allem an Ergebnissen gemessen werden: Gewinne und Margen. Doch bis sich hier die Strukturreform bemerkbar machen kann, dürfte es noch eine Weile dauern – jetzt muss VW erst einmal den Schaden durch den Abgasskandal beheben.