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Umwelthilfe Klagewelle wegen schmutziger Luft

Mit Klagen zur Luftreinhaltung in mehreren Großstädten erhofft sich die Deutsche Umwelthilfe das „Aus für Dieselstinker“.

19.11.2015, 23:01

Berlin (epd) l Die Deutsche Umwelthilfe will in elf Großstädten per Gerichtsbeschluss strenge Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität durchsetzen. Hintergrund ist die zum Teil massive Überschreitung von Grenzwerten für Feinstaub und Stickstoffdioxid. Die Zahl der dadurch verursachten vorzeitigen Todesfälle werde auf drei- bis sechs Mal höher als die Zahl der Verkehrstoten auf deutschen Straßen geschätzt (2014: 3368), sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, am Donnerstag in Berlin unter Verweis auf eine entsprechende Untersuchung für das Umweltbundesamt. Von den Gerichtsurteilen erhofft sich die Umwelthilfe eine bundesweite Signalwirkung.

Am Donnerstag reichte die Umweltorganisation deshalb Klage gegen mehrere Bundesländer ein, die für die Luftreinhaltung zuständig sind. Betroffen sind die Städte Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main und Stuttgart. Ziel ist unter anderem die Einführung einer neuen Blauen Plakette für Fahrzeuge und eine Neuregelung der Umweltzonen in Städten.

Die Organisation hat außerdem gegen das bayerische und das hessische Umweltministerium Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der Grenzwertüberschreitungen in München, Darmstadt und Wiesbaden beantragt. Dort seien bereits rechtskräftige Urteile ergangen, die bislang allerdings nicht umgesetzt wurden, sagte Resch weiter. Die Umwelthilfe beantragte deshalb jetzt die Androhung von Zwangsgeldern gegenüber den beiden zuständigen Landesministerien. Trotz der Gerichtsentscheidungen seien in diesen Städten die Luftreinhaltepläne bislang nicht so angepasst worden, dass eine Einhaltung der Grenzwerte zeitnah erzielt werden kann. Das Gesetz sehe ein maximales Zwangsgeld von 10 000 Euro vor, sagte Rechtsanwalt Remo Klinger. Dieses könne wiederholt und auch pro Tag festgesetzt werden. Schlimmstenfalls hafte der zuständige Minister persönlich.

„Weitgehende Fahrverbote für schmutzige Diesel-Pkw, Diesel-Taxis und ÖPNV-Busse sind geeignet, sehr kurzfristig die Grenzwerte selbst in Städten wie Stuttgart einzuhalten“, sagte Resch. Er spricht sich für den Ausbau eines „sauberen“ Öffentlichen Nahverkehrs aus, eine City-Maut wie etwa in London, „selektive“ Fahrverbote für Fahrzeuge mit bestimmten Kennzeichen und die Einrichtung von Pförtnerampeln, die Verkehrsströme umleiten.

Maßstab für die Vergabe einer Blauen Plakette soll sein, dass Pkw und leichte Nutzfahrzeuge die Stickstoffdioxid-Werte für Diesel der Euro-Abgasstandards Euro 6 sowie die Partikelemissionen der Stufen Euro 5 oder 6 „in allen Betriebszuständen“ einhalten, also nicht nur bei Labortests, sondern im Fahrbetrieb auf der Straße. Für Lkw und Busse schlägt die Umwelthilfe die Werte der Euro-4-Norm vor.

So sollen nach Vorstellungen der Organisation „die derzeit überwiegend eingesetzten schmutzigen Diesel-Taxis“ durch saubere Erdgas-, Autogas- oder Benzin-Hybrid-Taxis ersetzt werden. Etwa neun Prozent der neuesten Taxis besäßen keinen funktionierenden Filter, hat die Organisation bei eigenen Messungen festgestellt. Außerdem dürften Baumaschinen in Kommunen nur noch mit Partikelfiltern eingesetzt werden.

Die Belastung der Luft durch Stickstoffdioxid in Städten gilt neben der Belastung durch Feinstaub als eine der zentralen Herausforderungen der Luftreinhaltung in Deutschland, sagte Resch. Hintergrund der Klagen ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vor genau einem Jahr. Damals entschieden die Richter, dass nationale Gerichte verpflichtet sind, gegenüber den nationalen Behörden jede erforderliche Maßnahme zu erlassen.