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Markenschummelei Deutscher Käse „Made in Russia“

Schein-Marken, die so tun, als seien sie „Made in Germany“, sind bei Russen beliebt.

Von Thomas Körbel 05.02.2016, 23:01

Moskau (dpa) l Schon mal Grüntäler Käse gegessen? Klingt irgendwie vertraut, dürfte aber in deutschen Supermarktregalen kaum zu finden sein. Die russische Firma Cheeseart produziert den würzigen Schnittkäse in der Nähe von Moskau und vertreibt ihn, ansprechend verpackt, unter dem deutschen Namen und mit deutscher Beschreibung.

Russland hat sich vor anderthalb Jahren buchstäblich selbst den „Milchhahn“ zugedreht. Käse, Butter und andere Lebensmittel aus der EU sind in den Supermärkten seit dem 6. August 2014 Fehlanzeige. Mit einem weitreichenden Importverbot wehrte sich Moskau damals gegen Sanktionen des Westens in der Ukraine-Krise. Geschmuggelten Westkäse ließ Kremlchef Wladimir Putin demonstrativ tonnenweise vernichten und gab das Ziel aus, mit dem Embargo die eigene Produktion zu stärken.

Das Ergebnis: Viele Käsesorten werden jetzt in Russland hergestellt, und manche Produzenten machen ihre Ware den Kunden mit deutsch anmutenden Etiketten schmackhaft. Das Phänomen ist zwar auch in Deutschland bekannt – etwa bei angeblich russischen Wodka-Sorten. In Russland aber wird branchenübergreifend veredelt und aufgewertet mit scheinbar deutschen Marken sowie Verweisen auf „deutsche Qualität“.

So auch beim Grüntäler. „Gewürzkräuter – Zarte Würzigkeit, herber Blümenstand von Geschmäcken“, steht in holprigem Deutsch auf der Verpackung. Deutsche Käseliebhaber in Moskau ätzen bereits im Internet: „Viele Umlaute machen noch keinen deutschen Käse!“

Der Chef der Firma Cheeseart ist für eine telefonische Stellungnahme nicht zu erreichen. Auskunftsfreudiger ist der Moskauer Hersteller Nelt, der in Russland die Käsemarke Schönfeld vertreibt. Vor dem Embargo habe das Unternehmen eng mit deutschen Firmen zusammengearbeitet. „Wir wissen, wie gut die Kunden deutsche Qualität auffassen“, sagt Sprecherin Ljudmilla Nikljudowa. Daher habe Nelt sich 2011 entschieden, die neue Marke mit dem deutsch klingenden Namen Schönfeld zu registrieren.

„Made in Germany“ ist bei Russen beliebt. Die Lebensmittelindustrie springt damit auf einen Marketingtrick auf, den schon russische Firmen aus völlig anderen Branchen vor Jahren entdeckt haben. Dass vermeintlich deutsche Marken in Russland gut ankommen, findet die deutsche Auslandshandelskammer in Moskau undramatisch. „Solange nicht echte Produktfälschung vorliegt, hat das Phänomen für mich eher eine humoristische Komponente“, sagt AHK-Sprecher Jens Böhlmann. Das zeige: „Deutschland steht immer noch für Qualität und Zuverlässigkeit.“ Juristisch relevant würde ein solcher Fall lediglich, wenn etwa deutsche Markennamen oder gängige Werbeslogans missbraucht würden.

Ein Grenzfall könnte Böhlmann zufolge eine Butter sein, die deutschsprachige Kunden in russischen Supermärkten mit ihrem schrägen Namen erheitert: Danke Anke. Doch weniger der Name bereitet dem AHK-Experten Kopfschmerzen, als vielmehr die Tatsache, dass der St. Petersburger Hersteller Nevamilk „Danke Anke“ als „Deutsche Markenbutter“ ausgibt – einem in Deutschland geschützten Qualitätssiegel.