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Volkswagen Gericht stützt Rückruf-Aktion

VW-Kunde klagt auf Rücknahme seines Autos. Vermutlich hat er aber keinen Anspruch auf Entschädigung.

02.03.2016, 23:01

Bochum (dpa) l Durchschnaufen bei VW im Abgas-Skandal: Der Autobauer muss nach einer ersten Gerichtsentscheidung manipulierte Autos wohl nicht zurücknehmen. Das Landgericht Bochum nannte den Mangel der deutlich zu geringen Schadstoffangaben „nicht erheblich“ im rechtlichen Sinne. Denn zumindest beim Auto des Klägers – einem gut ausgestatteten VW Tiguan mit einer Zwei-Liter-Diesel-Maschine für 38 000 Euro – sei das Problem mit einem Software-Update für 100 Euro zu beheben. Eine Grundsatzentscheidung fiel dabei aber noch nicht.

VW kann sich damit vorerst in seinem Kurs bestätigt sehen, die Mängel in Europa mit einer groß angelegten Rückrufwelle und ohne Rückkäufe aus der Welt schaffen zu wollen. Falls die Nachrüstung nicht bei allen Wagen gelingt, gibt es noch die Möglichkeit der „Minderung“ – also einer finanziellen Entschädigung des Käufers für Wertverlust. Das schärfste Mittel – die Rücknahme gegen Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentgelt – wollte das Gericht nicht vorschreiben.

Für Volkswagen wäre eine Rücknahmepflicht bei rund 2,5 Millionen betroffenen Autos allein in Deutschland sehr teuer geworden. Der Markt hätte die zahlreichen zurückgegebenen „Schummel-VW“ kaum aufnehmen können – der Preis wäre wohl zusammengebrochen, die Logistik für einen Export der Gebrauchtwagen höchst unrentabel.

Und VW hätte Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe in die Hand nehmen müssen, um Rückkäufe zu finanzieren. Für den bisherigen Rückruf, bei dem es europaweit bei 8,5 Millionen Wagen nur um das Nachbessern geht, stellte der Konzern 6,7 Milliarden Euro zurück.

Im Fall des Bochumer Klägers hatte dessen Anwalt zwischen 2500 und maximal 4000 Euro Abzug für die Nutzung des ein Dreivierteljahr alten Wagens ausgerechnet. Um die 34 000 bis 35 500 Euro hätte das Autohaus also bei der Rücknahme des VW Tiguan auf den Tisch legen müssen.

Schon wegen der enormen finanziellen Tragweite hatte der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer den Klägern in Europa vorab wenig Chancen eingeräumt. Volkswagen könne gar nicht zurückweichen und werde in den vielen Verfahren bis zur letzten Instanz klagen, sagte er voraus.

Wie viel Frustration und verlorenes Vertrauen mitunter hinter den Klagen steckt, war am Donnerstag bei Gericht zu spüren. Der Kläger – ein Geschichtsprofessor – kaufe alle zwei Jahre einen Neuwagen, berichtete sein Anwalt. Er sei „verärgert und enttäuscht“, weil das Bochumer VW-Autohaus auf seine Beschwerde gar nicht reagiert habe.

Er habe den Wagen zum Jahresbeginn verkaufen wollen, das Auto sei derzeit aber ohne ruinöse Abschläge unverkäuflich. Außerdem befürchte er einen höheren Verbrauch und Leistungsverlust nach der Umrüstung.

In dem Bochumer Fall sollen nun beide Seiten zunächst über eine freiwillige Rücknahme des Wagens zu einem „marktüblichen Preis“ verhandeln – jedoch im Gegenzug für den Kauf eines Neufahrzeuges.

Bei anderen Klagen könnte die Sache für VW heikler werden. Richter Ingo Streek verwies in Bochum auf eine Grundsatzentscheidung, nach der ein für die Rückgabe nötiger erheblicher Mangel dann vorliegen könne, wenn die Behebung über ein Prozent des Auto-Kaufpreises koste.

Bei dem betroffenen, 38 000 Euro teuren Tiguan liegt die Grenze damit bei 380 Euro. Zudem bestreitet der Anwalt des Klägers, dass Entwicklung und Aufspielen des Software-Updates nur 100 Euro kosteten. Überdies sei der Mangel schon deshalb erheblich, weil der Wagen angesichts der breiten Debatte um den Diesel-Skandal derzeit unverkäuflich sei. Glückt die vom Gericht angeregte Einigung in Bochum in den nächsten Tagen nicht, soll Mitte März ein Urteil folgen.