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China-Import Europa droht eine Stahlkrise

Die Stahlindustrie Europas gerät wegen Billigimporten aus China zunehmend unter Druck. In England schließt ein Werk.

05.04.2016, 23:01

Berlin (dpa/ba) l Etwa 2500 Stahlarbeiter aus Ostdeutschland, Bremen und Hamburg werden am kommenden Montag zu einer Demonstration in Berlin erwartet. Die IG Metall hat zu einem Aktionstag „Stahl ist Zukunft“ aufgerufen, wie sie am Dienstag mitteilte. Die Gewerkschaft befürchtet, dass die von der EU geplante Verschärfung des Emissionshandels zum Verlust zahlreicher Arbeitsplätze führen wird. Die Stahlindustrie in Deutschland zählt derzeit rund 86 000 Arbeitsplätze.

Brüssel will die verfügbaren Kohlendioxid-Zertifikate verknappen. Die Gewerkschaft fordert unter anderem eine kostenfreie Zuteilung von Emissionsrechten für die Kohlendioxid-effizientesten Anlagen der Stahlindustrie. Die geplante Novellierung ist allerdings nicht das einzige Problem der Branche. Die deutschen Stahlwerke geraten zunehmend unter Druck, da Länder wie China Konkurrenz machen und der Stahlpreis sinkt.

Deutschlands größter Stahlstandort ist Duisburg, aber auch Standorte in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg würden unter einer schwächelnden Stahlindustrie leiden, beklagt die Gewerkschaft.

In England sorgt die Stahlkrise für erste Werkschließungen. Insgesamt sind 15 000 Jobs bedroht, ganz akut 5500 im Werk Port Talbot in Wales. Die Jobs drohen zum Opfer des chinesischen Billig-Stahls zu werden, der weltweit die Preise drückt.

Der indische Konzern Tata Steel macht nach eigenen Angaben mit seinen britischen Werken täglich eine Million Pfund (1,25 Mio Euro) Verluste. Das könne man sich einfach nicht mehr länger leisten, so die Inder. Tata hatte 2007 den britisch-holländischen Konzern Corus übernommen und stieg damit zum zweitgrößten Stahlproduzenten in Europa hinter ArcelorMittal auf – Glück brachte das Tata aber nie.

In London geht die Furcht um, dass es bestenfalls Interessenten für bestimmte Teile der Unternehmen gibt – die Werke also zerschlagen werden. Europaweit könnte 2016 zum Schicksalsjahr der Stahlindustrie werden. Auch in Deutschland haben Chinas Dumpingpreise und der weltweit rasante Verfall der Stahlpreise tiefe Spuren hinterlassen.

Thyssenkrupp etwa rutschte in den ersten drei Monaten des laufenden Geschäftsjahres 2015/2016 wieder in die roten Zahlen. Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, spricht von einer „dramatischen Entwicklung“. Mit einem dicken Minus schloss auch der Konkurrent Salzgitter das Jahr 2015 ab. Beim weltgrößten Stahlkocher ArcelorMittal stand unterm Strich ein Milliardenverlust.

In Sachsen-Anhalt gibt es laut Wirtschaftministerium im Bereich Metallerzeugung etwa 250 Betriebe mit knapp 15 000 Beschäftigten. Unternehmen in Sachsen-Anhalt sind zum Beispiel die Ilsenburger Grobblech GmbH (750 Beschäftigte, 220 Mio. Umsatz), KSM Castings Group GmbH, Wernigerode (350 Beschäftigte, 450 Mio. Umsatz) und Walzengießerei & Hartgußwerk Quedlinburg GmbH (130 Beschäftigte, 12 Mio. Umsatz).