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Milchkrise Milchpreis treibt Bauern in Ruin

Der Milchpreis ist im Keller. Die neue Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne) will, dass Bauern die Milchmenge begrenzen.

17.05.2016, 23:01

Magdeburg l „Das ist eine Katastrophe", sagte am Dienstag Milchbauer Frank Lenz aus dem Landkreis Stendal. Gerade noch 24,5 Cent habe er im April von der Molkerei für einen Liter Milch bekommen. 40 Cent seien erforderlich, um kostendeckend zu wirtschaften.

In Sachsen-Anhalt zahlen nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) einige Molkereien inzwischen nur noch 17 Cent pro Liter. Der Landesvorsitzende Peter Schuchmann befürchtet, dass angesichts des Niedrigpreises immer mehr Milchhöfe aufgeben. „Das geht jetzt rasend schnell", sagte Schuchmann, der in der Altmark selbst einen Betrieb mit 240 Kühen bewirtschaftet.

Vor dem „Milchgipfel" am 25. Mai in Berlin fordert die neue Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalts, Claudia Dalbert (Grüne), endlich wirksame Krisenhilfen für die Bauern. „Ich erwarte vom Bundeslandwirtschaftsminister konkrete Beschlüsse, um den Bauern Luft zu verschaffen", sagte Dalbert am Dienstag der Volksstimme.

Dalbert regte eine freiwillige und selbstorganisierte Mengenbegrenzung durch die Milchviehhalter an. Gleichzeitig forderte sie eine staatlich finanzierte Anschubfinanzierung für Bauern, die ihre Milchlieferung reduzieren.

Die Bundesregierung will den Bauern mit einem mindestens 100 Millionen Euro schweren Hilfspaket helfen. Kritik daran kommt vom BDM: Die Landwirte hätten „keine Zeit mehr für eine weitere Gesprächsrunde".

„Um unsere Milch findet kein Wettbewerb statt“, sagte Landwirt Frank Lenz. Der 36-Jährige bewirtschaftet in Schinne (Landkreis Stendal) einen Hof mit 350 Milchkühen. Im April bekam er nur noch 24,5 Cent von seiner Molkerei für einen Liter Milch. Viel zu wenig für den jungen Familienvater.

Wegen eines Überangebots sind die Milchpreise in ganz Europa im Keller. Um kostendeckend wirtschaften zu können, bräuchten die rund 400 Milchbauern in Sachsen-Anhalt einen Erzeugerpreis von etwa 40 Cent pro Liter. Die Bundesregierung will helfen. „Wir werden den Bauern mit Steuererleichterungen und Liquiditätshilfen zur Seite stehen“, sagte Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU). Denkbar seien Bürgschaften, damit die Betriebe trotz Krise leichter Kredite bekommen können. Doch: „Das sind Trostpflästerchen, die nicht helfen, sondern nur das Leid der Landwirte verlängern,“ entgegnete Frank Lenz. Langfristig müsse die Milchmenge auf dem Markt reduziert werden.

Vor einem Jahr sah er das anders. Damals öffnete Lenz die Tür seines neuen Stalls. Einen niedrigen, einstelligen Millionenbetrag hatte er investiert und seinen Hof vergrößert. Dann fiel nach Jahrzehnten der Regulierung die Milchquote der Europäischen Union. Seitdem darf jeder Bauer soviel melken wie er mag. Das dadurch gewachsene Angebot trägt zum Preisverfall bei. Hinzu kommt die gesunkene Nachfrage aus Russland und China. Der Hof von Frank Lenz ist jetzt in Not. „Betriebe wie wir, die sich zukunftsorientiert aufgestellt haben, haben einen hohen Kapitalaufwand. Da ist es gefährlich, wenn der Milchpreis nicht kostendeckend ist“, sagte Lenz.

Politiker suchen seit Monaten nach Lösungen. Die EU hatte schon im März den Weg für freiwillige, zeitlich begrenzte Mengenreduzierungen in den EU-Staaten für Milchprodukte freigemacht. Produzenten können sich bei den Produktionsmengen absprechen, ohne kartellrechtlich in Probleme zu geraten. Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne) wird am 25. Mai auf dem „Milchgipfel“ in Berlin auch darüber sprechen. „Mein Hauptanspruch ist es, den Betrieben vor Ort zu helfen“, sagte Dalbert. Im Ministerium werde derzeit geprüft, wie die regionale Vermarktung der Milchprodukte gestärkt werden könne, so die Ministerin.

Dalbert regte zudem an, dass Höfe auf Biomilch-Produktion umstellen. Für die ökologisch erzeugte Milch erhalten Landwirte derzeit etwa doppelt so viel wie für konventionelle Kuh-Milch. Doch Biomilch ist ein Nischenprodukt und macht nur etwa drei Prozent der Milch auf dem deutschen Markt aus. Will ein Betrieb auf Biomilch umstellen, müssen bestimmte Auflagen erfüllt werden. Dazu gehören etwa Weidegang und Grünfutter.

Peter Schuchmann, der Landesvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, rüstet seinen Hof in der Altmark zum Biomilch-Hof um. Ab Oktober wird sein Hof offizieller Bio-Betrieb sein. Weil seine Molkerei kulant ist, erhält er schon jetzt 46,5 Cent je Liter. Schuchmann sagte: „Die Umstellung auf einen Biomilch-Hof ist für Bauern in Finanz-Not keine kurzfristige Lösung.“ Doch langfristig könnte sie eine sein, die Schuchmann und seinen 240 Kühen die Existenz rettet.