Betonbau Je größer desto besser

Das Fertigteilwerk in Gröbzig (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) produziert Betonelemente auch für Flüchtlingsunterkünfte - wie jetzt in Berlin.

Von Massimo Rogacki 26.02.2017, 01:00

Gröbzig/Berlin l Berlin–Marzahn. Ein Gebäude mit grauer Fassade. Vier Stockwerke, Flachdach. Kein besonderer Hingucker. Doch einen Schönheitspreis soll das Gebäude auch nicht gewinnen, im Vordergrund steht ganz klar die Funktionalität. Die ersten von 300 Flüchtlingen sind kürzlich aus Turnhallen in die „Modulare Unterkunft für Flüchtlinge“, kurz: MUF, umgezogen.

Insgesamt zehn dieser MUFs sollen in den nächsten Monaten in Berlin gebaut werden. Den Großauftrag gesichert hat sich ein Unternehmen aus Bayern. Produziert wird in Sachsen-Anhalt. Das Auftragsvolumen: deutlich über 100 Millionen Euro.

Gröbzig im Landkreis Anhalt-Bitterfeld: Am Eingang zum Betonfertigteilewerk erinnert nur der schmiedeeiserne Zaun an das ehemalige VEB Betonwerke. Seit 1992 führt die bayrische Klebl-Gruppe das Werk. Mehr als 30 Millionen Euro flossen seither in Produktionsanlagen, neue Gebäude, Krananlagen und ein modernes Mischwerk.

Werksleiter Torsten Plietzsch steht im Außenlager vor einer Reihe von überdimensionalen Betonteilen. Über seinem Kopf schwebt, von einem Brückenkran bewegt, ein tonnenschwerer Träger.

Plietzsch lächelt. „Wir mögen es hier groß, schwer und mit möglichst einfacher Geometrie“, sagt der 41-Jährige, der seit anderthalb Jahren die Geschicke am Standort lenkt.

Er steht vor einem der Fassadenbauteile, wie sie in den Berliner MUFs verwendet werden, und streicht mit der Hand über die Oberfläche. Drei mal sechs Meter, 42 Zentimeter dick und rund zehn Tonnen schwer sind die Wände. „Gut gelungen“, findet der Werksleiter.

Dass der Berliner Großauftrag nach Anhalt-Bitterfeld vergeben wurde, ist alles andere als ein Zufall. Konstruktive Fertigteile sind die Spezialität des Unternehmens.

Die Fußballarenen in Wolfsburg und Leipzig, das Ikea-Möbelhaus in Hannover, Karosseriezentren für Audi, Porsche und BMW, Logistikzentren und Parkhäuser – überall wurden Betonelemente aus dem 15 Kilometer südwestlich von Köthen gelegenen Fertigteilwerk verbaut. Etwa 105 000 Tonnen Stahlbetonfertigteile werden im Jahr in Gröbzig hergestellt. 24 Millionen Euro steuert der Standort damit zum Jahresumsatz der Klebl-Gruppe (rund 450 Millionen Euro) bei. 220 Mitarbeiter „feilen“ Tag für Tag an dem perfekten Betonteil.

Auch aufgrund der langjährigen Erfahrung in Sachen Beton hatte sich die Klebl-Gruppe zu Beginn des vergangenen Jahres bei der Ausschreibung für die MUFs in Berlin durchsetzen können. Selbst für die Bauprofis waren die Anforderungen nicht ganz alltäglich. Der Auftrag lautete: „Schnell und kostensparend bauen, schlüsselfertige Übergabe, anderweitige Nutzung möglich“, erinnert sich Plietzsch.

Die Firma setzte die Vorgaben um. Sollten einmal keine Flüchtlinge mehr in der Unterkunft wohnen, könnte das MUF zu einem Studentenwohnheim oder einem Kindergarten umfunktioniert werden.

Um den nach außen sichtbaren Akzent zu setzen, dass hier nicht nur ein Zweckbau „hingepfuscht“ wurde, spendierte der Berliner Senat dem Gebäude eine individuelle Hülle – mit feinen Rillen in den Fassadenbauteilen. Die hatte sich Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher als „wertige“ Anmutung für die MUFs gewünscht, erzählt Plietzsch. In den Beton gedrückt werden die speziellen Rillen mit extra produzierten Matrizen.

Auch wenn gerade keine Transporte nach Berlin stattfinden, herrscht an der Einfahrt zum Gröbziger Werk meist Hochbetrieb. Bis zu 40 Schwerlasttransporte verlassen zu Spitzenzeiten an einem Tag das Gelände. Einige der geladenen Betonfertigteile sind bis zu 50 Meter lang.

Bis zu 25 Tonnen je Lkw bringen die Transporte nach Berlin auf die Waage. Bei Sichtungen von mit 100 Tonnen beladenen Mega-Lastern geraten Anwohner rund um Gröbzig längst nicht mehr ins Staunen. Wenngleich die Betonteile für die künftigen Berliner MUFs im Gegensatz dazu beinahe mickrig ausfallen – der Millionenauftrag aus Berlin steht in Gröbzig nach wie vor im Fokus.

Bis Ende dieses Jahres sollen weitere sieben Flüchtlingsunterkünfte schlüsselfertig an die Hauptstadt übergeben werden. Bei der Vorstellung des ersten bezugsfertigen Domizils vor vier Wochen lobte Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach den „hohen Standard“ des Fertigbaus. Rund 300 Geflüchtete leben darin fortan in Wohngemeinschaften zu je 15 Personen, mit zweckmäßigen Küchen und Bädern. Das Provisorium Turnhalle ist für sie Vergangenheit.

Auch die Betonbauer von Klebl freuen sich darüber, dass hinter den Wänden nun nach und nach Leben einkehrt. Torsten Plietzsch prophezeit, dass in Zukunft das Bauen mit Fertigteilen immer größere Bedeutung erlangen wird. Der Vorteil seien die vergleichsweise geringen Entwicklungs- und Herstellungskosten. Weiteres Plus: die standardisierten Elemente vereinfachen die Montagearbeiten vor Ort. Die MUFs passen also ziemlich gut ins Bild.