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Anteilseigner Pharma-Riese investiert in Akne-Startup

Der US-Konzern Johnson & Johnson ist jetzt Anteilseigner bei der Magdeburger Firma S-Biomedic.

11.10.2017, 23:01

Magdeburg/Beerse l Bernhard Pätzold hat kurz Zeit für die Volksstimme. Er sitzt in einem Büro auf dem großen Forschungscampus des US-Konzerns Johnson & Johnson in Belgien. Hier in Beerse, rund 40 Auto-Minuten von Antwerpen entfernt, hat der milliardenschwere Pharma-Spezialist zahlreiche verheißungsvolle Start- ups zusammengezogen. Die jungen Firmen sollen weiter an ihren Ideen arbeiten, voneinander lernen und gemeinsam forschen. Johnson & Johnson bietet den Platz, das Geld und die Infrastruktur. Auch S-Biomedic aus Magdeburg hat sein Labor in die belgische Provinz verlegt. „Diesen Maschinenpark hier hätten wir uns nie im Leben leisten können“, sagt Pätzold, einer der Geschäftsführer des Unternehmens.

S-Biomedic hat vor mehr als einem Jahr in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt für Furore gesorgt. Drei junge Forscher hatten eine Vision. Patienten mit der Haut-Krankheit Akne sollten mit lebenden Bakterien von ihrem Leiden befreit werden. Diese kühne Idee unterstützte das Land Sachsen-Anhalt zunächst mit 225.000 Euro. Auch Labore und Räume der Universitätsklinik durften die jungen Gründer nutzen. Eine erste Studie mit 14 Probanden im Herbst des vergangenen Jahres war erfolgreich, ebenso eine größere Untersuchung mit 46 Menschen, die bis zum Sommer dieses Jahres lief.

Bei der Therapie werden gesunde Bakterien auf die Haut erkrankter Menschen aufgetragen. Mit Hilfe der Behandlungsmethode wird das Gleichgewicht auf der Haut wiederhergestellt. Vorbild ist eine Therapie, die bereits erfolgreich bei Darmerkrankungen eingesetzt wurde. Bei der Methode bringen Ärzte den Stuhl gesunder Menschen in den Darm Erkrankter. Siedeln sich die gesunden Bakterien an, können sie die schädlichen wieder verdrängen. Fast seit vier Jahren forscht der Wissenschaftler Bernhard Pätzold mit seinen Kollegen Veronika Oudova und Marc Güell bereits daran. Dem Ziel, aus ihren Forschungsergebnissen ein Kosmetik-Produkt werden zu lassen, sind die Gründer auch dank des Einstiegs von Johnson & Johnson ein großes Stück näher gekommen. „Wir gehen davon aus, dass bis zur Marktreife des fertigen Produkts nur noch höchstens ein Jahr vergehen wird“, kündigt Pätzold, der Bio-Chemie studiert hat, gegenüber der Volksstimme an.

Der US-Konzern Johnson & Johnson sieht in Produkten und Arzneimitteln mit lebenden Mikro-Biomen die Zukunft, investierte bereits Hunderte Millionen Dollar in die Technologie. Nahezu alle Firmen am Forschungscampus in Belgien forschen in diesem Segment. Im Fall von S-Biomedic könnte das künftige Produkt das Leben vieler Akne-Patienten grundlegend verändern. Heute wird die Haut-Krankheit vor allem mit der Chemie-Keule behandelt. Viele Patienten therapieren ihr Gesicht seit der Pubertät mit sogenanntem Benzoylperoxid, einem Wirkstoff, der rote Pusteln ausbleicht, aber oft nicht dauerhaft entfernt.

Die nächsten Monate werden Pätzold, Oudova und Güell dazu nutzen, kleinere Eigenschaften des Produkts, das als Creme auf die Haut aufgetragen werden soll, zu verbessern. Vor allem eine längere Haltbarkeit steht im Fokus. „Der Kosmetikartikel muss die gesamte Logistik-Kette überstehen und soll auch noch funktionieren, wenn der Kunde das Produkt verwendet“, erklärt Pätzold. Entscheidend dabei ist auch, dass das Akne-Mittel nicht zu heiß wird, schließlich enthält es lebende Bakterien.

Bernhard Pätzold wird in absehbarer Zeit weitere Weichen stellen müssen. In einer Finanzierungsrunde will S-Biomedic erneut um Investoren werben. Perspektivisch soll die Creme der drei Magdeburger auch als Arzneimittel zugelassen werden. Doch das dauert Jahre und ist teuer. Das neue Geld sollte das junge Unternehmen mindestens 24 Monate über Wasser halten, sagt Pätzold. Mehrere Millionen Euro werden dafür benötigt. Der Wissenschaftler hat als Geldgeber vor allem große Risiko-Kapitalfirmen im Blick.

Sachsen-Anhalt hat er übrigens nicht aus den Augen verloren. Der Hauptsitz der Firma ist nach wie vor in Magdeburg. Und auch weitere klinische Forschungen sollen an der Uniklinik durchgeführt werden, kündigt der Gründer an.