1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Arbeitslosigkeit wird 2017 weiter sinken

Arbeitsmarkt Arbeitslosigkeit wird 2017 weiter sinken

Kay Senius, Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt und Thüringen der Agentur für Arbeit, spricht über den Arbeitsmarkt 2017.

27.12.2016, 10:35

Halle (dpa) l Die gute Nachricht: Die Arbeitslosigkeit wird in Sachsen-Anhalt 2017 sinken. Ursache dafür ist laut Experten vor allem die demografische Entwicklung. Die schlechte Nachricht: Die Langzeitarbeitslosigkeit geht nicht spürbar zurück. Dazu brauche es einen langen Atem und ein Umdenken beim Umgang mit Menschen, die ein Jahr und länger nicht im aktiven Berufsleben sind, sagte der Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt und Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, Kay Senius, im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Senius (60) leitet seit 2009 die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt und Thüringen der Bundesagentur für Arbeit.

Was ist die Kernaussage zum Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt 2017?

Die Arbeitslosigkeit wird weiter sinken. Die Wissenschaftler unseres Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) rechnen für 2017 mit einem Rückgang in Sachsen-Anhalt um etwa 5 Prozent. Die Beschäftigung wird weiter wachsen. Laut IAB sind über 8400 neue Jobs im kommenden Jahr im Land möglich – wenn sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen nicht großartig ändern. 2016 war der Arbeitsmarkt weiterhin stabil. Die Arbeitslosenquote lag seit der Jahresmitte unter 10 Prozent, zum anderen lag die Zahl der Arbeitslosen seit Oktober unter 100 000. Wenn man überlegt, dass wir 1998 in Sachsen-Anhalt noch über 270 000 Arbeitslose hatten, dann kann man mit der Entwicklung schon zufrieden sein, ohne jetzt in Jubel auszubrechen.

Was sind die Hauptursachen für den Rückgang der Erwerbslosigkeit im Land?

Es gibt zwei entscheidende Treiber, die mit unterschiedlicher Intensität auf den Rückgang der Arbeitslosigkeit wirken: Beschäftigungsaufbau und demografische Entwicklung. Der Beschäftigungsaufbau ist in den vergangenen Jahren eher moderat verlaufen. So stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit 2011 in Sachsen-Anhalt um 1,3 Prozent. Damit liegen wir zum Beispiel deutlich hinter Sachsen, wo das Wachstum im gleichen Zeitraum 7 Prozent betrug. Bleibt also die Demografie als Haupttreiber für den Rückgang der Arbeitslosigkeit. Es gehen im Land mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt in Rente als Schulabgänger in den Arbeitsmarkt eintreten. Sachsen-Anhalt gehört zu den am schnellsten alternden Regionen Europas.

Im Land sind viele Menschen schon sehr lange arbeitslos. Was ist nötig, um die Langzeitarbeitslosigkeit spürbar zu senken?

Ich glaube, dass wir uns von dem Gedanken verabschieden müssen, die Langzeitarbeitslosigkeit schnell abbauen zu können. So gut die allgemeine Wirtschaftslage auch ist, dafür brauchen wir einen langen Atem. In Sachsen-Anhalt sind mehr als 40 Prozent der Arbeitslosen mehr als ein Jahr ohne Job. Sie finden trotz stabiler Konjunktur kaum Zugang zum Arbeitsmarkt. Nicht, weil sie keine Lust haben, sondern weil sie häufig ganz handfeste Probleme haben, die eine Integration verhindern.

Welche Probleme sind das?

Langzeitarbeitslose sind häufig älter, krank oder ihnen fehlt die nötige Qualifikation. Richtig problematisch wird es, wenn diese drei Hemmnisse zusammenkommen. 70 Prozent der Langzeitarbeitslosen haben mindestens zwei Risikomerkmale, mehr als 40 Prozent mindestens drei. Als Faustregel gilt: Mit jedem Hemmnis halbiert sich die Chance auf eine Integration in den Arbeitsmarkt.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Arbeitsmarktpolitik, was muss sich ändern?

Mit herkömmlicher Arbeitsmarktpolitik allein bekommen wir die Herausforderung nicht gelöst, die Langzeitarbeitslosigkeit dauerhaft zu senken. Wir brauchen mehr ganzheitliche Ansätze. Dabei geht es um drei Säulen: Prävention, Integration und Teilhabe. So muss künftig noch mehr dafür gesorgt werden, dass weniger Menschen überhaupt in die Langzeitarbeitslosigkeit rutschen. Das betrifft zum Beispiel die Schüler, die ohne Abschluss abgehen. Denn viele von ihnen scheitern dann auch bei der Suche nach einer Ausbildung.

Wie können Menschen, die zum Teil schon jahrelang nicht im aktiven Berufsleben waren, die rasante Entwicklung im Alltag nicht miterleben konnten, tatsächlich wieder am Arbeitsmarkt Fuß fassen?

Was die Integration angeht, ist es mit der reinen Qualifizierung, Vermittlung und Förderung von Langzeitarbeitslosen nicht getan. Die gegenwärtigen Förderinstrumente lassen weitere Ansätze nur bedingt zu. Hilfreich wäre, das betriebliche Engagement etwa durch eine Integrationsassistenz zu unterstützen. Wir haben es in Ostdeutschland oft mit kleinen Firmen zu tun, in denen der Chef selbst anpackt und keine Zeit hat, sich um die Integration des Langzeitarbeitslosen zu kümmern. Im Klartext: Wir müssen Strukturen aufbauen, die auch dabei helfen, Vorurteile gegen Langzeitarbeitslose abzubauen, die es bei Unternehmen zweifelsohne gibt.