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Craft Beer Schluss mit dem Standard-Pils

Craft Beer soll der Bierbranche zu neuen Umsatzsteigerungen verhelfen.

20.08.2015, 23:01

Frankfurt (dpa) l Nach der feucht-fröhlichen Fußball-Sommer-Party im vergangenen Jahr hat die deutschen Brauer der nachfolgende Kater erwischt. Im ersten Halbjahr 2015 brachten sie rund eine Million Hektoliter der alkoholhaltigen Sorten weniger unter die Biertrinker. Die Gesamtmenge von 46,9 Millionen Hektolitern entsprach einem Rückgang von 2,1 Prozent, berichtete das Statistische Bundesamt.

Die Brauereien müssen sich also etwas Neues einfallen lassen, um ihre Ziele zu erreichen. Craft Beer soll der Branche wieder steigende Umsätze bescheren. Der Trend kommt aus den USA. Seit Jahren entwickelt dort eine steigende Zahl unabhängiger Kleinbrauereien neue Biersorten, verpasst ihnen ungewöhnliche Namen und hat damit eine ganz neue Szene von Bierliebhabern begründet. Jetzt passiert das Unausweichliche: Die großen Braukonzerne kommen und wollen sich auch etwas von steigenden Umsätzen mit dem sogenannten Craft Beer abzapfen. AB Inbev (Beck‘s, Budweiser) kaufte zuletzt die Brauereien 10 Barrel Brewing im US-Bundesstaat Oregon, Blue Point auf Long Island und die Elysian Brewing Company aus Seattle. SAB Miller (Pilsner Urquell, Grolsch) pirscht sich mit der Übernahme der britischen Meantime Brewing Company an die europäischen Bierliebhaber heran. Wann wird auch in Deutschland der erste Craft-Beer-Brauer schwach?

„Ich warte eigentlich nur darauf, dass das hier zum ersten Mal passiert“, sagt Nina Anika Klotz, Autorin des Craft-Beer-Blogs Hopfenhelden.de. „Denn dass große Hersteller damit Erfolg haben, unter ihren eigenen Markennamen Craft Beer zu verkaufen, würde ich sehr bezweifeln. Das passt nicht zur Idee der Szene.“

Aber was ist diese Craft-Beer-Idee? Was ist überhaupt Craft Beer? Die Frage ist zumindest in Deutschland noch nicht geklärt. Craft heißt auf Deutsch Handwerk. Es geht also um handwerklich gebrautes Bier. Für viele in der Szene ist Unabhängigkeit von großen Konzernen wichtig und der Geschmack soll sich vom Pils-Mainstream abheben.

Verlässliche Zahlen zum Craft-Beer-Absatz in Deutschland gibt es nicht, aber laut Statistischem Bundesamt steigt die Zahl aller Brauereien - man kann davon ausgehen, dass dies überwiegend kleine Hersteller sind.

Mit herkömmlichem Bier lassen sich zumindest in Europa und den USA kaum noch Umsatzsteigerungen erzielen. Die Braukonzerne versuchen deshalb, ins sogenannte Premium-Segment zu kommen, sprich: Biere zu verkaufen, für die ihre Kunden mehr Geld zahlen.

Craft Beer gehört definitiv dazu. Bei zwei Euro für die 0,33-Liter-Flasche geht es in der Regel los, man kann aber auch locker mehr als 20 Euro auf den Tisch legen. Das liegt zum einen daran, dass Craft Beer sich einfach für mehr Geld verkaufen lässt. Zum anderen werden für die Herstellung aber oft mehr Hopfen und Malz - für intensiveren Geschmack - verwendet. Die Einkaufspreise der Rohstoffe für kleine Brauereien sind außerdem natürlich deutlich höher als für Beck‘s & Co.

Und wenn große Konzerne jetzt auch ins Craft-Beer-Business einsteigen, könnte sich das noch verschärfen. Georg-Augustin Schmidt trinkt einen Schluck von seinem Frankfurt Pale Ale. Er ist eigentlich Immobilien-Sachverständiger, hat aber im vergangenen Jahr die Mikrobrauerei Braustil eröffnet.

Einen Wettbewerb mit großen Konzernen um seine Kunden fürchtet er zwar nicht, aber die Nachfrage nach speziellen Hopfensorten sei schon jetzt sehr hoch. „Wenn jetzt immer mehr Braukonzerne anfangen, Sorten aus der Craft-Beer-Szene nachzubrauen, dann dürfte die hohe Nachfrage zu noch höheren Hopfenpreisen führen.“

Beck‘s versucht, seit knapp zwei Monaten unter dem eigenen Markennamen unter anderem Pale Ale zu verkaufen - eine Biersorte, für die helles Malz verwendet wird. Der Start der neuen Biere sei „sehr erfolgreich gelaufen“, sagt ein Sprecher der Beck‘s-Mutter AB Inbev, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Man wolle die neue Produktlinie auch nicht als Craft Beer verkaufen und den Kunden etwas vorgaukeln. Aber den Wunsch der Verbraucher nach neuen Biersorten wolle Beck‘s trotzdem erfüllen.

Dass der Konzern nach den Übernahmen in den USA auch in Europa beginnt, Craft-Beer-Brauer aufzukaufen, hält der Sprecher für unwahrscheinlich. „Aktuell kommt das für AB Inbev nicht infrage. Es ist im Moment eher unsere Strategie, zum Beispiel Marken wie das belgische Leffe nach Deutschland zu holen.“ Das belgische Bier geht geschmacklich auch in die Richtung einiger Craft-Beer-Sorten.

Auch die Harzer Brauerei Hasseröder konzentriert sich derzeit auch noch auf das klassische Angebot. Wer weiß, wie lang noch?