Dämmstoff Streit ums Styropor

Styropor wird seit Oktober als umweltschädlich eingestuft. Für viele Handwerker in Sachsen-Anhalt ist die Entsorgung seitdem teuer.

29.11.2016, 23:01

Magdeburg l Seit Oktober ist der Entsorgungspreis von 150 auf bis zu 6000 Euro pro Tonne Styropor geklettert. Auf Dauer ist das für kleine und mittelständische Handwerksbetriebe nicht zu bezahlen, sagt der Obermeister der Dachdeckerinnung Sachsen-Anhalt Süd, Jens-Norbert Schmidt. „Auf einigen Baustellen ist die Arbeit bereits zum Erliegen gekommen“, erklärt Schmidt, der in der Nähe von Weißenfels (Burgenlandkreis) einen Betrieb mit 35 Mitarbeitern führt.

Schuld an der Entsorgungskrise ist das Flammschutzmittel HBCD, das den Dämmplatten beigemischt wird und seit dem 1. Oktober nach einer EU-Verordnung in Deutschland als giftiger Sondermüll gilt. Die Folgen sind fatal: Bauunternehmen werden altes Styropor nicht mehr los – oder nur noch zu sehr hohen Preisen.

„In der Konsequenz werden teilweise Bauvorhaben bereits zurückgestellt, da die Entsorgung und deren Kosten nicht mehr planbar sind“, sagt auch der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Sachsen-Anhalt, Robert Momberg. Er unterstütze daher den Vorstoß Sachsens, bei der Umweltministerkonferenz die aktuelle Vorschrift zur Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmstoffen zu kippen.

Doch selbst wenn sich die Minister auf ihrem Treffen in dieser Woche einigen – für Sachsen-Anhalt hätte ein Beschluss keine Folgen. Denn das Umweltministerium hat vor Inkrafttreten der EU-Verordnung reagiert und einen Kompromiss erarbeitet: Styropor soll für die Entsorgung mit anderen Baumischabfällen gemischt werden. Liegt dabei der Anteil des Dämmstoffs höchstens bei 20 Prozent, könne der Abfall in Müllöfen verbrannt werden, teilt das Ministerium auf Anfrage mit. Auch die von Sachsen angeregte Änderung in der Abfallverzeichnis-Verordnung würde an den Randbedingungen in Sachsen-Anhalt nichts ändern, so das Ministerium weiter.

Das Verbrennen des Sondermülls ist in Sachsen-Anhalt in vier Anlagen möglich: in Magdeburg, Staßfurt, Bitterfeld und Leuna. Doch die Rechnung ist nicht aufgegangen. Das Mischen des Styropors mit anderen Abfällen lassen sich die Entsorger teuer bezahlen. Dachdecker Jens-Norbert Schmidt berichtet, dass bei einem Projekt seines Unternehmens die Entsorgungskosten um 100 000 Euro gestiegen sind.

Das Umweltministerium Sachsen-Anhalt hält diese Entwicklung für bedenklich. Staatssekretär Klaus Rehda (Grüne) plant, das Gespräch mit den Abfallunternehmen zu suchen. „Die Situation ist unglücklich, aber wir können auch keine Preise vorschreiben“, sagt Rehda.

Deutschlandweit ist die Styropor-Entsorgung seit Inkrafttreten der EU-Regelung ein Problem: Viele Müllverbrennungsanlagen haben keine Zulassung für die Verbrennung von HBCD. Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks mussten deshalb bundesweit bereits hunderte Baustellen stillgelegt werden.