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Digitalisierung Daten-Turbo für Bauprojekte

Wissenschaftler und Unternehmer aus Sachsen-Anhalt arbeiten an der digitalen Baustelle - und wollen den Daten-Turbo zünden.

21.11.2016, 23:01

Magdeburg l Auf vielen Baustellen in Deutschland hakt es. Das bescheinigt auch eine Analyse des Magdeburger Fraunhofer-Instituts. Bundesweit haben die Wissenschaftler 50 Projektleiter befragt. Das Ergebnis überrascht kaum: Viele Bauarbeiter müssen immer wieder Zwangspausen einlegen, weil das Material fehlt oder das richtige Werkzeug nicht vor Ort ist.

„Etwa ein Viertel der unproduktiven Zeit könnte optimiert werden“, sagt Andrea Urbansky. Die Wissenschaftlerin arbeitet zusammen mit 15 Mitarbeitern im Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts an der digitalen Baustelle. Die Vision: Schon bald sollen Bauprojekte in Deutschland komplett digital erfasst werden. Nicht nur der Bauplatz, auch Bauteile, Mitarbeiter und Werkzeuge werden in der digitalen Welt sichtbar und können so jederzeit überwacht werden. Im vergangenen Jahr ist das Projekt in Magdeburg gestartet. Daran beteiligt sind neben dem Forschungsinstitut auch das Software-Unternehmen Cosmo-Consult und der Mittelständler Stahlbau Magdeburg.

Das 70 000 Quadratmeter große Firmengelände des Stahlfertigers im Osten der Landeshauptstadt wird das erste Freilicht-Labor des Projekts. In den kommenden Monaten soll das Grundstück digital erfasst werden. Derzeit sammeln die Wissenschaftler Geodaten, später werden Gebäude hinzugefügt. Irgendwann soll dann jedes Bauteil im Lager am Computer sichtbar werden, jeder Mitarbeiter, jedes Werkzeug. Der Geschäftsführer von Stahlbau Magdeburg, Dirk Linke, verspricht sich viel vom gläsernen Firmengelände. Vor allem aber will der 50 Jahre alte Ingenieur schneller und günstiger sein als die Konkurrenz. „Der Markt entwickelt sich rasant. Wir setzen auf die Digitalisierung, damit sich der Kunde für uns entscheidet, wenn er die Wahl hat“, sagt Linke. Das Projekt mit Fraunhofer und Cosmo-Consult ist für den Magdeburger Mittelständler, der vor allem Brücken baut, aber auch Stahlträger zuliefert, die Fortsetzung der eigenen Arbeit.

Denn Stahlbau Magdeburg befindet sich seit mehr als zehn Jahren auf dem Kurs Digitalisierung. Eingehende Aufträge werden digital erfasst. Konstrukteure und Statiker basteln am Computer ein Modell. Aus den Daten erhebt eine weitere Abteilung die notwendigen Teile, die für die Produktion einkauft werden müssen. Auch in der Fertigungshalle arbeiten die Mitarbeiter längst mit Hilfe von Computern. Hans-Werner Flache sitzt an einem Monitor. Von dort bedient er eine Maschine, die Stahlbauteile zuschneiden kann. Schweißer Uwe Kremling arbeitet mit Handscanner und Barcode-Liste. Jeder Strichcode kennzeichnet ein Teil. „Während der Fertigung haben wir durch die Digitalisierung Überblick über den Zustand unserer Bauteile. Das verschafft uns Vorteile in der Überwachung unseres Projekts und später bei der Dokumentation des Auftrags für den Kunden“, erklärt Linke.

Die digitale Tiefe wird in den nächsten Jahren weiter anwachsen. Linke redet vom Tracken von Bauteilen, das mit einem digital erfassten Werksgelände möglich wäre. Dem Ingenieur schweben aber auch Assistenzsysteme für seine Mitarbeiter vor, um Fehler in der Produktion zu vermeiden. Das Projekt „digitale Baustelle“ soll aber nicht nur Stahlbau Magdeburg helfen. „Unser Ansatz ist, die digitale Kette, die es im Engineering gibt, herunterzuziehen bis auf die Baustelle“, erklärt Andrea Urbansky. Doch daran hapert es derzeit noch. Bei Stahlbau Magdeburg hört die digitale Erfassung nach dem Verladen auf einen Lastwagen auf. Auf der Baustelle arbeiten Beschäftigte mit Handzetteln und Baustellen-Tagebüchern. Digitale Lagepläne fehlen – und damit auch die Möglichkeit digitale Infos auf die Baustelle zu bringen. Cosmo-Consult entwickelt dafür Programme sowie Cloud-Lösungen.

Geschäftsführer Udo Ramin hat schon Anfang der Neunzigerjahre Erfahrungen mit Großbaustellen gesammelt. Zusammen mit Andrea Urbansky und Dirk Linke war er am Bau einiger Chemieparks im Süden Sachsen-Anhalts beteiligt. „Wir sind in der komfortablen Situation zu wissen, wie die Anforderungen weltweit sind“, sagt Ramin.

In Sachsen-Anhalt soll in den kommenden drei Jahren mit weiteren Unternehmen an der digitalisierten Baustelle gearbeitet werden. Mit bis zu 40 Prozent wird die Arbeit aus Landes- und EU-Mitteln gefördert. Den Rest müssen die Firmen aus eigener Tasche bezahlen. Für Ramin ist das ein Indiz dafür, dass sich Unternehmen viel von dem Weg in die Digitalisierung versprechen.