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Elektromobilität Volkswagen richtet sich neu aus

VW schließt in USA, Afrika und China neue Kooperationen. Dabei geht es um neue Elektroautos und zusätzliche Absatz-Chancen.

11.09.2016, 23:01

Wolfsburg l Der massive Ausbau der Elektromobilität ist ein Schwerpunkt, den VW-Chef Matthias Müller in seiner Zukunftsstrategie festgelegt und Anfang dieses Jahres vorgestellt hat. Bis 2025 soll der Konzern 30 reine E-Autos entwickeln und davon bis zu drei Millionen Stück pro Jahr fertigen.

Ein ambitioniertes Vorhaben gerade vor dem Hintergrund, dass VW in nächster Zeit noch mit Folgen des Diesel-Skandals zu kämpfen haben wird. Doch Müller macht jetzt ernst, in der vergangenen Woche hat der Konzern mit dem chinesischen Hersteller Anhui Jianghuai Automobile (JAC) grundsätzlich vereinbart, künftig gemeinsam E-Modelle zu entwickeln.

Es ist kein Zufall, dass die Wolfsburger auf ein chinesisches Unternehmen setzen. China hat den weltgrößten Automobilmarkt. Und dieser hat sich in den vergangenen Jahren regelrecht zu einem Leitmarkt für Elektroautos entwickelt, weil das Reich der Mitte dringend die Luftverschmutzung vielerorts in den Griff bekommen muss. So werden dort schon heute weit mehr E-Fahrzeuge als in Europa oder den USA verkauft.

VW und JAC müssen nun verhandeln, wie die künftige Kooperation konkret aussehen soll. Im Gespräch ist die Gründung eines Joint Ventures, einer Gemeinschaftsfirma, in der die gesamte Bandbreite von Forschung, Produktion und Vertrieb gebündelt werden könnte.

Doch nicht nur in China wird VW im Bereich der E-Mobilität aktiv. Zuletzt haben Matthias Müller und Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. In den kommenden Jahren wollen beide Seiten moderne Mobilitätskonzepte für die stark verkehrsbelastete Millionenmetropole entwickeln. Unter anderem soll die Volkswagen-Tochter MAN mit den Hamburger Verkehrsbetrieben bei der Entwicklung von Elektrobussen zusammenarbeiten. Und auch an der Kaufprämie für Elektroautos beteiligen sich die Wolfsburger, wenngleich die Prämie als solche in Deutschland bislang floppte.

Obwohl Müller zuletzt immer wieder betonte, dass der technische Wandel nun bei VW im Fokus stehen soll und nicht mehr nur das Erreichen höherer Absatzzahlen, passt der Konzernchef aber auch hier die Marschroute seines Unternehmens an. Über eine Beteiligung am US-Unternehmen Navistar will Volkswagen sein Lkw-Geschäft ausbauen und den amerikanischen Nutzfahrzeugmarkt erobern. Bislang ist dieser für die Wolfsburger ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Dem Vernehmen nach wird VW 16,6 Prozent der Aktien des US-Herstellers übernehmen, die Investition wird die Wolfsburger nach eigenen Angaben rund 229 Millionen Euro kosten. Branchen-Beobachter begrüßen den Schachzug, denn für die VW-Töchter MAN und Scania wäre es weitaus komplizierter und teurer geworden, auf dem US-Markt Fuß zu fassen.

Es ist nicht die einzige Großinvestition im Nutzfahrzeug-Bereich. Ebenfalls in der vergangenen Woche hat VW den neuen Transporter Crafter vorgestellt, der erstmals nicht mehr gemeinsam mit Branchen-Primus Mercedes entwickelt wurde. Und nicht nur das: In Polen hat VW für das neue Modell extra ein neues Werk in nur 28 Monaten hochgezogen. Der Konzern erwartet nun für das kommende Jahr einen Absatz von weltweit 50 000 Craftern, 2018 sollen es sogar 100 000 Fahrzeuge sein – viele Kampfansagen an den bisherigen Nutzfahrzeug-Branchenprimus Daimler.

Bewegung gibt es bei Volkswagen auch im klassischen Automobilbereich. Um den weltweiten Absatz zu stabilisieren, wollen die Wolfsburger ihre Präsenz in Asien, Südamerika und Afrika weiter ausbauen. Vor diesem Hintergrund kündigte VW nun an, eine neue Produktion in Kenia aufzubauen. Von 2017 an sollen im Partnerwerk von Kenya Vehicle Manufacturers pro Jahr bis zu 5000 Polo Vivo entstehen. Das Werk, das nahe der Hauptstadt Nairobi steht, wird nach Konzernangaben neben Nigeria und Südafrika der dritte Produktionsstandort des Autoherstellers in Afrika. Weltweit betreibt Volkswagen derzeit 119 Werke.

Trotz aller Turbulenzen rund um den Diesel-Skandal lassen es sich die Wolfsburger insofern nicht nehmen, neue Strategien und Geschäftsfelder zu entwickeln. Das gelingt offenbar aber auch deshalb, weil sich der Skandal bislang kaum in den Verkaufszahlen niederschlägt. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres verzeichnete die Marke Volkswagen lediglich einen leichten Absatzrückgang von 0,9 Prozent auf 3,4 Millionen Einheiten. Der Konzern insgesamt lieferte 5,9 Millionen Einheiten aus, das waren sogar 1,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

In Schwierigkeiten könnte VW vor allem dann geraten, wenn sich der chinesische Automarkt abkühlt. Zudem könnten weitere Kosten durch Diesel-Klagen auf den Autobauer zukommen. Beides lässt sich Branchen-Kennern zufolge jedoch noch nicht seriös abschätzen.