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Fricopan-Aus Nur 50 Mitarbeiter haben neuen Job

Bei Fricopan in Immekath gehen die Lichter aus: Noch immer ist kein Investor in Sicht. Rosig sieht es auch bei den Beschäftigten nicht aus.

29.08.2016, 05:09

Immekath/Klötze (dpa) l Beim Backwarenhersteller Fricopan in der Altmark rückt der Stichtag für das Aus näher: Am Mittwoch, dem 31. August, schließt die Konzernmutter Aryzta das Werk in Immekath, einem Ortsteil von Klötze. 500 Mitarbeiter müssen gehen. Nur ein Zehntel von ihnen hat einen neuen Job sicher, wie Betriebsratschefin Gerda Hentschel sagte. Auch die Zukunft des Geländes ist bisher unklar. Eine Handvoll Interessenten hatten sich gemeldet. Weiterhin liefen Gespräche, erklärte das Wirtschaftsministerium. Details wurden nicht bekannt gegeben, um die Verhandlungen nicht zu gefährden.

Fricopan fertigte seit 1996 Tiefkühl-Backwaren in Immekath. Die Spezialität: Kräuter- und Knoblauch-Baguettes für die Kühltheken der Supermärkte. Aryzta gab Anfang Mai das Aus für den Standort bekannt. Die Begründung: ein weiterhin nur schleppender Ausbau der Autobahn 14 sowie notwendige Investitionen in Millionenhöhe im Werk.

Jetzt stehen die Maschinen still. Denn schon am Freitag waren alle Aufträge abgearbeitet, wie Betriebsrätin Hentschel sagte. "Um 22 Uhr endete für die Produktioner die letzte Schicht." Wenn am Mittwoch auch für die Verwaltung Schluss ist, haben die meisten keine neue Perspektive. 10 bis 15 Mitarbeiter bleiben in Immekath, bis Ende Oktober auch die Kühllager geleert sein werden.

Zwar gebe es Betriebe, auch in der Nahrungsindustrie, die Beschäftigte suchen. "Doch die sind alle eine Stunde Fahrzeit und länger entfernt", sagte Hentschel. Für ältere Kollegen oder Mitarbeiter mit Kindern sei das zu weit. Viele der 50 Fricopaner, die einen neuen Job haben, nahmen laut Hentschel Lohneinbußen hin, um in der Nähe bleiben zu können.

Das Aus des für die strukturschwache Altmark so wichtigen Werks muss auch die Gemeinde verdauen. Klötze drohen Einbrüche bei den Gewerbesteuer-Einnahmen von 200.000 bis 300.000 Euro, wie Bürgermeister Matthias Mann dem Sender MDR Sachsen-Anhalt sagte. Die Folge: Grundsteuern und Beiträge müssen angehoben werden.

Bei der Arbeitsagentur Stendal haben sich rund 250 der Beschäftigten arbeitslos gemeldet. Etwa die Hälfte sei schon zu Gesprächen gekommen, sagte eine Sprecherin. "Das schätzen wir positiv ein." Die Brandbreite reiche von Jobzusagen über konkrete Angebote bis hin zur offenen Suche. Manche Fricopaner haben etwas Zeit. Die Kündigungsfristen liegen zwischen vier Wochen und sechs Monaten.

Für die zwölf Azubis hatten die Arbeitnehmervertreter eine Übernahmegarantie ausgehandelt. "Aber die nimmt keiner in Anspruch, alle haben sich etwas Neues gesucht", berichtete Hentschel. Aryzta bot auch den Beschäftigten an, sich für andere Werke zu bewerben. Zum Konzern gehört seit 2013 etwa eine Produktion in Eisleben mit 1800 Beschäftigten. Sie wurde auch mit Hilfe von Fördermitteln ausgebaut.

Doch für die Fricopan-Beschäftigten ist Eisleben ein rotes Tuch. "Es herrscht hier die Stimmung: Wegen denen sind wir unseren Job los", fasste Betriebsrätin Hentschel zusammen. Ob sich einer der Beschäftigten für einen anderen Standort beworben habe, konnte ein Aryzta-Sprecher nicht sagen. Ebenso wenig beantwortete er die Frage, wo die Aufträge künftig produziert werden. "Wir haben natürlich ein großes Interesse daran, die Kunden, die bisher aus Immekath beliefert wurden, zu halten", sagte er lediglich.

Betriebsrätin Hentschel erwiderte, es sei an der Kennzeichnung der gekühlten Baguettes im Supermarkt jetzt schon erkennbar, wer die alten Fricopan-Aufträge habe: "Das macht jetzt alles Eisleben." Das treffe viele Kollegen besonders. "Die Wut im Bauch ist groß."