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Getränke Der unbekannte König des Bieres

Der Brasilianer Jorge Paulo Lemann ist der mächtige Mann hinter der größten Brauereigruppe der Welt

14.10.2015, 23:01

Rio de Janeiro (dpa) l Es ist ein peinlicher Fauxpas. Da kommt der reichste Brasilianer zu Besuch, der Strippenzieher beim größten Bierkonzern der Welt. Der auch die Geschäfte bei US-Konzernen wie Burger King und Heinz Ketchup dominiert. Und niemand erwartet ihn.

Erst nach einem Anruf lassen Sicherheitsbeamte des Planalto-Palastes Jorge Paulo Lemann durch, er muss den allgemeinen Aufzug nehmen. Aber er wirkt gelassen ob des ungewöhnlichen Empfangs bei Präsidentin Dilma Rousseff. Und wartet, bis der Aufzug kommt. Die Szene aus dem Juni passt zu ihm. Anders als groß aufgestiegene und tief gefallene, zu Protz neigende Investoren Brasiliens ist er ein zurückhaltender Finanzstratege, der wenig auf Status oder Popanz zu geben scheint. Geprägt von protestantischer Arbeitsethik und den Schweizer Wurzeln.

Der Vater war Käsehändler im Emmental, bevor er auswanderte. Mit 25 Milliarden US-Dollar Vermögen wird sein Sohn, der Harvard-Absolvent Lemann, bei Forbes auf Platz 26 der reichsten Männer der Welt geführt. Als Ursprung seines Reichtums heißt es dort: „Beer, Self Made“. Dabei ist Jorge Lemann gar kein Biertrinker. Und äußerst diszipliniert: Er steht angeblich um 5.30 Uhr auf und geht meist bis 22 Uhr zu Bett.

Er gibt praktisch keine Interviews, konzentriert sich aufs Geschäft. Und steht nun wohl vor dem Höhepunkt eines vor 26 Jahren begonnenen Einkaufsmarathons in Sachen Biermarken. Der bereits weltgrößte, von ihm und mehreren Geschäftspartnern über die Investmentfirma 3G Capital beherrschte Konzern AB Inbev will den zweitgrößten Bierbrauer SAB Miller für 92 Milliarden Euro übernehmen. Damit würden 30 Prozent des Bieres weltweit künftig vom gleichen Konzern kommen – von Beck‘s, Hasseröder bis Foster‘s.

Auch mit 76 Jahren wirkt Lemann auf Fotos drahtig, fast asketisch, früher war er Tennisprofi, fünf Mal brasilianischer Meister, spielte in Wimbledon und im Davis Cup, aber es reichte nicht ganz nach oben.

Er verlegte die Karriere daher auf ein anderes Feld. Angetrieben vom Wunsch, der Beste zu sein – wobei er selbst sagt, dass ihm Geld gar nicht so wichtig sei. Und es schuf auch Probleme: Nachdem 1999 in São Paulo Kidnapper versuchten, drei seiner fünf Kinder auf dem Weg zur Schule zu entführen, zog er sofort in die Schweiz an den Zürichsee.

Seine Investmentfirma 3G Capital aber hat den Sitz weiter in Rio de Janeiro. Es gibt nicht viele Infos, bescheiden wird auf der Internetseite nur aufgelistet, wen man alles schon akquiriert hat: Heinz-Ketchup, Kraft Foods Group, Burger King, die brasilianische Woolworth-Variante Lojas Americanas und eben eine Biermarke nach der anderen. Oberste Maxime von Lemann als Hauptaktionär: Runter mit den Kosten, weg mit Luxus-Privilegien und unnötigen Hierarchien. Absoluter Leistungswillen, keine Egotrips. „Ich habe noch nie ein so fähiges Management-Team gesehen wie jenes, das Jorge Paulo Lemann gebildet hat“, sagte Investorenlegende Warren Buffett mal dem US-Sender CNBC.

Noch im Oktober könnte die 1989 mit der Übernahme des größten brasilianischen Braukonzerns Brahma begonnene Bier-Einkaufstour einen Höhepunkt finden. Mit der Akquise entstand AmBev, der größte Brauereikonzern Lateinamerikas. 2004 kam es mit dem belgischen Konzern Interbrew zur Fusion, der neue Konzern hieß InBev. Dann kam Lemanns größter Coup.

Im Mai 2008 reitet er mit seiner Frau Susanne, Brasiliens Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso und dessen Frau auf Kamelen durch die Wüste Gobi, als sein Blackberry immer wieder vibriert, wie die Biografin Cristina Correa berichtet. Seit Monaten hat er einen Plan ausgetüftelt für die feindliche Übernahme des US-Braukonzerns Anheuser-Busch, der mit Budweiser das meistverkaufte Bier der Welt produziert. Ausgerechnet ein Brasilianer will ein Symbol des US-Kapitalismus.

Die Pläne sickern durch. August Busch IV will ihn sprechen, aber Lemann bleibt in der Wüste. Und für 52 Milliarden Dollar klappt wenig später der Deal. „Jorge Paulo plant von langer Hand. Immer nach dem Motto: think big“, zitierte jüngst der „Stern“ den Freund Cardoso. Und die Biografin Correa berichtete dem Magazin ein Detail, das viel über ihn verrät. Für das Buch „Sonho Grande“ („Großer Traum“) über die 3G-Gründer Lemann, Marcel Telles and Beto Sicupira bekam sie nur eine Stunde Audienz bei Lemann. „Ich habe vier Jahre gebraucht, um dieses Gespräch zu kriegen“, sagte sie zu ihm. Lemanns Antwort: „Ich habe 20 Jahre gebraucht, um Anheuser-Busch zu kriegen.“