Handwerk Wurst, Brot und Ehre

Bäcker und Fleischer haben wirtschftlich zu kämpfen.

Von Teresa Dapp 03.08.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Wenn Hendrik Haase über Deutschlands Fleischer und Bäcker spricht, ziehen sich seine Augenbrauen unter dem schwarzen Zylinder zusammen. „Man merkt, da lastet was auf den Leuten“, sagt der Food-Aktivist, so nennt er sich selbst. Da sei eine Lethargie: „Man kommt nicht nach vorn, man traut sich nicht so wirklich an große Umwälzungen ran, die Nachfolge ist nicht geregelt.“

Hinter der gefühlten Krise, die der 32-Jährige beschreibt, stehen drastische Zahlen. 1995 zählte der Zentralverband des Deutschen Handwerks noch 51 764 Bäcker-und Fleischerbetriebe. 20 Jahre später, 2015, waren es nur noch gut halb so viele: 26 603. Die Bundesregierung hat die Zahlen gerade mal wieder zusammengetragen.

Zum Thema Neugründungen heißt es da: Bei den Bäckern sei ein „deutlicher Rückgang zu erkennen“, bei Fleischern seien sie „eher die Ausnahme“. Die Ursache, so die Bundesregierung: komplexe Rahmenbedingungen, harter Wettbewerb, Verdrängung. Klingt nicht gut.

Ganz so düster wollen die Fachverbände das Bild nicht zeichnen. So hätten etwa die 12 155 Bäckerbetriebe im Land ihren Umsatz um eine halbe Milliarde auf 14 Milliarden Euro gesteigert, sagt Daniel Schneider vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Allerdings: Gut 65 Prozent des Gesamtumsatzes wurden von nur 4,3 Prozent der Betriebe erwirtschaftet. Für die schönen Zahlen sind die großen Bäckereiunternehmen zuständig, viele kleine mussten schließen.

Bei den Fleischern sieht es ähnlich aus. Als Hauptursache für den Schwund sieht Gero Jentzsch, Sprecher des Deutschen Fleischer-Verbands, einen „flächendeckenden Mangel an qualifiziertem Fachpersonal“ – insbesondere in den Städten. Die Bäcker berichten ebenfalls von Nachwuchssorgen. Im neuen Ausbildungsjahr, das im August beginnt, werden wieder Lehrstellen frei bleiben. Bei den Fleischern waren es vergangenes Jahr 1700 – etwa jeder fünfte Platz.

Auch sonst ähneln sich die Klagen der Berufsverbände: Die Konkurrenz von Discountern ist gewaltig, steigende finanzielle Belastungen etwa durch den Mindestlohn und viel Bürokratie belasten die Handwerker. „Viele Bäcker müssen mittlerweile am Wochenende unzählige Stunden mit Büroarbeit verbringen“, sagt Schneider. Und Politik werde hauptsächlich für die Großen gemacht.

Das finden auch die Grünen, die die Anfrage zu Bäckern und Metzgern gestellt haben. So müssen die kleinen Betriebe wie alle Stromkunden die EEG-Umlage bezahlen, die die Energiewende mitfinanziert. Rabatte bekommen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz dagegen „stromkostenintensive Unternehmen“ im internationalen Wettbewerb. Aber nicht nur die, beklagen Bäcker, Metzger und Grüne: Rabatte bekämen etwa auch Hersteller von sogenannten Teiglingen, die auch den deutschen Einzelhandel mit backfertigem, gefrorenen Teig belieferten.

„Hochgradig unfair" nennt Jentzsch das, Schneider spricht von „staatlicher Wettbewerbsverzerrung“. Für einen kleinen Betrieb könnten die jährlichen EEG-Umlagekosten im hohen fünfstelligen Bereich liegen, weil Öfen viel Energie brauchen. „Die EEG-Umlage ist das beste Beispiel, wie aus einem harten ein unfairer Wettbewerb wird“, sagt Markus Tressel, Sprecher der Grünen-Fraktion für regionale Wirtschaftspolitik.

Bleibt die Frage, was zu tun ist. Faire Lastenverteilung, weniger Bürokratie, nicht immer neue Abgaben für kleine und mittlere Unternehmen, das fordern die Verbände. Food-Aktivist Hendrik Haase betont einen anderen Weg: „Wir fragen in Workshops: Warum bist du Metzger geworden? Warum hast du den Betrieb von deinem Vater übernommen?“, erzählt er. „Die Berufsehre, die Passion wieder zu entdecken, das ist glaube ich eine Herausforderung für viele.“

Den Schlüssel zum Erfolg sieht Haase, der die Metzgerei „Kumpel & Keule“ in Berlin mitgegründet hat, in Netzwerken. Kein Neid unter Kollegen, sondern Gemeinschaftsprojekte, und vor allem: Kontakt zu den Produzenten, zu Bauern und Züchtern, Einfluss nehmen auf Getreidesorten, Tierrassen und Futter. Vorreiter gebe es schon einige, nicht nur in den Großstädten. „Revival des Handwerks“ nennt er das: „Dann hat man Produkte, auf die man stolz ist.“