Immobilienkredit Hürde vor dem Hauskauf

Seit März schreibt eine neue EU-Richtlinie den Banken vor, wie sie Baudarlehen zu vergeben haben. Über die Folgen gibt es Streit.

11.08.2016, 23:01

Magdeburg l Die neuen Regeln der Europäischen Union erschweren den Banken seit März das Geschäft mit Immobilienkrediten. Seitdem müssen die Geldinstitute stärker als vorher darauf achten, dass der Kunde den Kredit über die gesamte Laufzeit zurückzahlen kann. Ausschlaggebend sind dabei Einkommen und Vermögen des Verbrauchers. Das ist grundsätzlich nicht neu. Auch zuvor sind Banken daran interessiert gewesen, dass Kreditnehmer Zins und Tilgung leisten können. Doch dadurch, dass es in einem Gesetzestext steht, steigt für die Finanzierer das Risiko selbst haften zu müssen, wenn das Darlehen ausfallen sollte.

Bei der Gewährung des Kredits dürfen sich Banken zudem nicht mehr darauf verlassen, dass der Wert der Immobilie die Höhe des Darlehens überschreitet. Nicht einmal die Annahme, dass sich der Kreditnehmer durch den Verkauf der Immobilie entschulden könnte, dürfen die Kreditinstitute berücksichtigen. Die Folge ist, dass Kunden mit geringerem Einkommen ihre Kreditwürdigkeit verlieren, selbst dann, wenn sie in einer hochwertigen Immobilie wohnen. Vor allem ältere Menschen, die zum Beispiel ihr Haus altersgerecht renovieren wollen, sind betroffen, warnt der Genossenschaftsverband. Hintergrund ist die Wohnimmobilienkreditrichtline der Europäischen Union, die von der Bundesregierung offenbar schärfer als gefordert in nationales Recht übertragen wurde. „Im Grundsatz ist die Vorgabe vernünftig, damit Haushalte nicht überschuldet werden“, sagte ein Sprecher des Genossenschaftsverbands. Die Richtlinie führe aber dazu, dass Banken auch wirtschaftlich vertretbare Kreditwünsche von Kunden in bestimmten Lebenssituationen nicht mehr bedienen dürften, so der Sprecher weiter.

In Sachsen-Anhalt sind die Folgen bislang allerdings überschaubar. Sparkassen und Volksbanken hätten auch bereits vorher darauf geachtet, dass Kunden ihre Kredite vollständig zurückbezahlen können, heißt es aus den Pressestellen. Die Volksbank der Landeshauptstadt Magdeburg spricht von drei Fällen, bei denen aufgrund der neuen Richtlinie keine Kreditzusage erfolgen konnte. Dabei sei jedoch auch der ein oder andere Grenzfall, „den wir vermutlich auch vorher nicht finanziert hätten“, sagte Volksbank-Vorstand Uwe Fabig.

Auch die Verbraucherzentrale schlägt noch nicht Alarm. Bislang seien keine Fälle bekannt. „Es ist gut, dass Menschen davor bewahrt werden, in die Schuldenfalle zu geraten. Gleichzeitig darf die Richtlinie nicht dazu führen, dass ältere Menschen keinen Kredit mehr bekommen“, warnte Sven Kretzschmar von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt in Halle. Doch genau das befürchtet der Genossenschaftsverband. „Es besteht das Risiko, dass weniger Bau- und Umbauprojekte finanziert werden als gesellschaftlich sinnvoll und erwünscht ist“, sagte ein Sprecher. Der Verband fordert nun die Bundesregierung zum Handeln auf. „Der Gesetzgeber sollte hier dringend nachbessern und die auch laut EU-Wohnimmobilienkreditrichtline möglichen Spielräume nutzen“, erklärte er.

Denn der deutsche Staat war besonders vorsichtig, obwohl die EU-Vorgabe Ausnahmen durchaus zuließ: Dient ein Kredit dem Bau oder der Renovierung einer Immobilie, dürfe ihr Wert mit angesetzt werden, hieß es ursprünglich aus Brüssel. Österreich beließ die Passage im Text, Deutschland strich diesen Passus. Im Berliner Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, das das Gesetz zusammen mit dem Finanzministerium auf den Weg brachte, liegen unterschiedliche Reaktionen vor. „Ein einheitliches Bild ergibt sich daraus nicht“, sagte ein Sprecher der Volksstimme. Das Ministerium befinde sich in Gesprächen mit der Bankenwirtschaft, hieß es.

Eine Forderung dürften die Geldhäuser dabei besonders lautstark vortragen. Vor der Ausgabe eines Kredites bekäme der Kunde 84 Seiten mit Informationen ausgehändigt. Die Magdeburger Volksbank kritisiert den „ausufernden Formalismus“. „Aus Sicht des Verbrauchers ist das überzogen“, sagte Vorstand Uwe Fabig. Diese Papierflut sei nicht im Sinne des Kreditnehmers, erklärte auch ein Sprecher der Sparkasse.