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Industrie 4.0 Weniger Mensch, mehr Maschine

Deutschland ist der größte Robotermarkt in Europa. Doch was bedeutet der Vormarsch von Roboter und Co. für die Jobwelt?

29.09.2016, 23:01

Frankfurt/Main (dpa) l Durch die Halle eines Getriebeherstellers rollt eine Maschine beladen mit Bauteilen. Der Paketdienst Hermes testet den Einsatz von Lieferrobotern und in der deutschen Autoindustrie kommen inzwischen auf 10.000 Beschäftigte 1147 Roboter. Wann übernimmt Kollege Maschine meinen Job, fragen sich manche Beschäftigte. Besonders hoch ist die Roboterdichte in der Autoindustrie. In Deutschland und den USA spricht bisher aber nichts für einen dramatischen Stellenschwund – im Gegenteil.

Nach Angaben des Weltbranchenverbands International Federation of Robotics (IFR) stieg der Roboterbestand in der deutschen Autoindustrie von 2010 bis 2015 im Schnitt um 3 Prozent jährlich, die Zahl der Mitarbeiter legte um 2,5 Prozent zu. In den USA erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten sogar deutlich stärker als die der Maschinenkollegen. In welchen Bereichen die Arbeitsplätze entstanden, ist allerdings nicht aufgeschlüsselt.

Die Autoindustrie habe mehr und komplexere Produkte hergestellt, erläutert Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer Robotik + Automation im Maschinenbauverband VDMA. „Durch die Ausweitung der Produktion in Menge und Qualität entstanden neue Arbeitsplätze. Das hat den Wegfall von Jobs durch die Automatisierung mehr als kompensiert“.

Eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kommt zu dem Ergebnis, dass die Automatisierung von 1999 bis 2010 in Europa generell zu sinkenden Preisen und damit zu einer stärkeren Nachfrage führte. Das beflügelte die Nachfrage nach Arbeitskräften. „Für die betrachteten europäischen Länder und den betrachteten Zeitraum rennt der Mensch vielmehr mit anstatt gegen die Maschine“.

Ob das in Zukunft so bleibt, lässt sich schwer abschätzen. Nach einer Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) könnte der Vormarsch der digitalen Welt in den Fabriken und Büros der Industrieländer und aufstrebenden Volkswirtschaften bis 2020 unterm Strich mehr als fünf Millionen Jobs kosten.

„An der Gesamtzahl der Arbeitsplätze wird sich durch die digitale Transformation wenig ändern, Verschiebungen zwischen den Berufen sind hingegen nicht ausgeschlossen“, meint dagegen Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Einige Berufe könnten ersetzt werden, beispielsweise durch selbstfahrende U-Bahnen und Autos. In anderen Bereichen dürfte die Nachfrage dagegen steigen, zum Beispiel nach Programmierern.

Besonders hart dürfte der Vormarsch von Roboter, Computer und Co. nach einer Prognose der Beratungsgesellschaft PwC und des WifOR-Instituts in Darmstadt in den kommenden Jahren in Deutschland den Handel treffen. Dort werde die Nachfrage nach Beschäftigten im Verkauf bis 2030 um 940  000 sinken. In der Gesundheits- und Pharmabranche würden dagegen rund 300. 000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt.

Der stärkste Anstieg der Nachfrage nach Beschäftigten wird in den Bereichen Technologie, Medien und Telekommunikation erwartet (plus 11 Prozent). Der stärkste Rückgang bei Transport und Logistik mit minus 19 Prozent. Unter dem Strich sei die Digitalisierung aber kein „Jobkiller“, prognostizieren die Experten.

Schwarzkopf ist zuversichtlich, dass auch künftig nicht in menschenleeren Hallen produziert werden wird: „Es gibt vieles, was der Roboter nicht kann, zum Beispiel Produktionsabläufe kreativ umstellen, unerwartete Fehler schnell beseitigen oder Tätigkeiten ausführen, die besonderes Feingefühl verlangen“.

Die Zukunft in den Fabriken sieht Schwarzkopf in einem Miteinander von Mensch und Maschine. Bisher sind die Arbeitsbereiche aus Sicherheitsgründen häufig noch getrennt. Ausgerüstet mit Sensoren soll die neue Robotergeneration die Beschäftigten direkt bei der Produktion unterstützen. Die Maschinen sollen zum Beispiel Teile für die Montage holen oder schwere Gewichte halten, ohne den menschlichen Kollegen versehentlich dabei zu verletzen. „Was für Menschen ganz einfach ist, ist für Roboter oft sehr schwer“.