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Entorgungskrise Finck: „Baupreise werden steigen“

Der Präsident des Bauindustrieverbandes Sachsen-Anhalt, Wolfgang Finck, sieht die die nächste Entsorgungs-Krise auf die Branche zukommen.

26.04.2017, 23:01

Magdeburg l Die deutsche Bauindustrie verarbeitet jedes Jahr rund 200 Millionen Tonnen Bauschutt. Ein Großteil des Abfalls wird wiederverwertet, landet zum Beispiel in ehemaligen Tagebauen. Das Bundesumweltministerium will die Entsorgung nun neu regeln. Der Präsident des Bauindustrie-Verbandes Sachsen-Anhalt Wolfgang Finck schlägt deswegen Alarm: Finck befürchtet einen Deponien-Notstand in Sachsen-Anhalt und bereitet seine Kunden auf steigende Baupreise vor.

Volksstimme: Herr Finck, das Bundes-Umweltministerium arbeitet an der sogenannten Mantelverordnung, die den Umgang mit mineralischen Bauabfällen neu regeln soll. Derzeit liegt ein Referentenentwurf vor. Welche Folgen befürchten Sie für die Bauunternehmen?

Wolfang Finck: Heutzutage wird ein Großteil der mineralischen Bauabfälle, insbesondere Boden und Steine, zum Beispiel zur Verfüllung von Tagebaurestlöchern genutzt. Von den 205 Millionen Tonnen, die jährlich als mineralischer Bauabfall in Deutschland anfallen, werden 90 Prozent verwertet. Im Straßenbau werden sogar 98 Prozent unmittelbar wiederverwendet. Tritt die Mantelverordnung in Kraft, geht der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie davon aus, dass durch eine Verschärfung der Grenzwerte Böden in einer Größenordnung zwischen 30 und 50 Millionen Tonnen pro Jahr künftig nicht mehr als Verfüllmaterialien genutzt werden können, sondern auf Deponien beseitigt werden müssen.

Haben Sie bislang bedenklichen Bauschutt verfüllt?

Nein. Das Bodenmaterial war nachweislich völlig unbedenklich. In der Mantelverordnung werden aber für einzelne Bauabfälle bestimmte Grenzwerte festgelegt, die unter anderem auf Vorgaben der Europäischen Union beruhen. Diese Schwellen sind für viele Stoffe aus unserer Sicht aber viel zu hoch angelegt. Die eine oder andere Tonne Bauabfall, die wir heute problemlos wiederverwerten, würde dann als giftiger Abfall eingestuft. Das Entsorgen von Bauschutt würde also deutlich komplizierter und teurer als bisher.

Bereits im Herbst hatten Baufirmen mit der Entsorgung von Styropor, das mit dem Flammschutzmittel HBCD behandelt wurde, zu kämpfen. Droht eine ähnliche Situation bald auch mit mineralischen Bauabfällen?

Das ist nicht auszuschließen. Wenn die Mantelverordnung in Kraft treten sollte, ist ein Entsorgungsnotstand aus unserer Sicht abzusehen. Bereits heute ist der Deponieraum knapp. Wenn bald viele Millionen Tonnen mineralischer Bauschutt zusätzlich deponiert werden müssen, wird in absehbarer Zeit die Kapazität der Deponien erschöpft sein. Dass der Markt darauf sensibel reagiert, hat sich im vergangenen Sommer bei dem HBCD-Problem gezeigt. Die Folgen wären möglicherweise längere Transportwege, womöglich auch ins benachbarte Ausland – mit negativen Auswirkungen auf Verkehr und Umwelt.

Fordern Sie ein Deponie-Konjunkturprogramm?

Sollte in der Mantelverordnung nicht nachgebessert werden, ist klar, dass wir die Kapazitäten erhöhen müssen. Auch in Sachsen-Anhalt. Aufgrund der langen Planungs- und Genehmigungszeiten für Deponien wird das Problem allerdings nicht kurzfristig zu lösen sein. Die Landesregierung muss sich jetzt mit diesem Thema auseinandersetzen und sich die Zahlen genau anschauen. Ich habe aber das Gefühl, dass vor allem die Grünen bei diesem Thema auf der Bremse stehen.

Wie viel Deponieraum müsste in Sachsen-Anhalt aus Ihrer Sicht dazukommen?

Wenn mit Inkrafttreten der Mantelverordnung deutschlandweit zusätzlich 50 Millionen Tonnen pro Jahr mehr deponiert werden müssten, steuern wir in wenigen Jahren auf einen bundesweiten Deponienotstand zu. In Sachsen-Anhalt rechnen wir damit, dass bereits im Jahr 2021 die Kapazitäten für Deponien der Klasse I voll ausgeschöpft sind. Aus unserer Sicht müssen hier mehrere Hunderttausend Kubikmeter zusätzlicher Deponieraum geschaffen werden.

Welche Folgen hätten die neuen Regeln der Mantelverordnung für Menschen, die neu bauen wollen?

Die Baupreise werden steigen. Schätzungen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustriesprechen von einer Milliarde Euro Mehrkosten jährlich, wenn Bauabfälle nicht mehr wie bisher verwertet werden können. Diese Kosten müssen die Bauherren tragen.

Wie viel Zeit bleibt künftigen Bauherren noch, bis die neue Verordnung in Kraft tritt?

Das ist schwer zu sagen, ob das in dieser Legislaturperiode noch passiert. Dem Bundesumweltministerium liegen zurzeit sehr umfangreiche Stellungnahmen dazu von allen Verbänden vor. Es gab sogar ein Planspiel, um zu erproben, was die Änderungen in der Praxis bedeuten würden. Die Karten liegen also auf dem Tisch, jetzt muss sich die Politik entscheiden.

Das Ministerium versucht mit der Verordnung auch, endlich bundeseinheitliche Regeln für den Umgang mit Bauabfällen zu schaffen. Wie ist es bislang?

In Deutschland gibt es 16 unterschiedliche Vorgaben, wie mit mineralischen Bau- und Abbruchabfällen umzugehen ist. Unseren Betrieben, die über die Grenzen der Bundesländer hinaus tätig sind, fällt es mitunter schwer, die unterschiedlichen Auflagen zu überblicken. Wenn die Mantelverordnung einheitliche Regeln schaffen würde, wäre das ein großer Fortschritt.