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Klimawandel Peruaner klagt verklagt RWE

Ein peruanischer Bauer zieht in Deutschland wegen der Luftbelastung durch Kraftwerke gegen RWE vor Gericht.

Von Rolf Schraa 24.11.2016, 23:01

Essen (dpa) l Saul Lliuya ist Bauer und Bergführer und wohnt in den Anden im Westen Perus. Vor dem Essener Landgericht fordert der 36-Jährige am Donnerstag im schlichten weißen Hemd mit einem grünen Rucksack über der Schulter RWE heraus, einen der größten Stromkonzerne Europas. RWE-Kraftwerke trügen mit ihrem hohen CO2-Ausstoß zur weltweiten Erderwärmung bei, argumentiert Lliuyas Anwältin. Deshalb müssten die Essener – auch Tausende Kilometer entfernt in Peru – finanzielle Verantwortung für Klimaschäden übernehmen.

Lliuya sieht sein Haus in den Anden in Huaraz etwa 450 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lima gefährdet, weil der Klimawandel einen Gletscher zum Schmelzen bringt. Der Pegel des dortigen Bergsees steige und steige. Lliuya fürchtet eine katastrophale Flut, die sein Haus wegreißen könnte. „Das ist eine Zeitbombe“, sagt Anwältin Roda Verheyen.

Der Bergbauer fordert 17.000 Euro für Schutzmaßnahmen in seiner Gemeinde oder wenigstens die 6300 Euro, die er für den Umbau seines eigenen Hauses für mehr Hochwassersicherheit ausgegeben hat. Er hat einen zweiten Stock auf das Haus gesetzt – für den Fall, dass das Wasser kommt.

RWE hält die Klage für unberechtigt. Der Klimawandel sei ein globales Problem mit vielfältigen Ursachen, das auf staatlicher und internationaler Ebene gelöst werden müsse. Dafür dürfe man nicht einzelnen Unternehmen die Verantwortung zuschieben, betont der RWE-Anwalt vor Gericht. Wenn Einzelne für globale Phänomene verantwortlich gemacht würde, drohe eine Klagewelle Aller gegen Alle.

Bisher waren ähnliche Klima-Klagen in der Vergangenheit am Nachweis gescheitert, dass das beklagte Unternehmen tatsächlich im konkreten Einzelfall für mögliche Schäden verantwortlich ist. So wies der US Supreme Court 2013 eine Klage der Stadt Kivalina gegen ExxonMobil ab. Der Ölkonzern sollte nach Meinung der Kläger zahlen, weil die Stadt ihn für den Meeresspiegel-Anstieg und eine drohende Überflutung mitverantwortlich machte.

Das Problem der „Kausalität“ zwischen RWE-Schadstoffen und dem schmelzenden Gletscher in Peru steht auch in Essen im Mittelpunkt. Der Vorsitzende Richter Klaus Werner Krüger nimmt sich bei der Verhandlung am Donnerstag viel Zeit für die Argumente beider Seiten. Er weist die Klage nicht gleich ab, sondern bestimmt einen neuen Termin Mitte Dezember.

Der David-gegen-Goliath-Kampf des Peruaners fällt in eine Zeit, in der fossile Energien zunehmend kritisch gesehen werden. Spätestens seit der Weltklimakonferenz in Paris vor einem Jahr ist der Rückhalt für Kohle und Gas in Deutschland und teils auch im Ausland geschwunden.

Die Grünen forderten bei ihrem Bundesparteitag vor knapp zwei Wochen einen schnellen Kohleausstieg bis 2025, Kanada hat bereits den Ausstieg bis 2030 beschlossen. Unter dem Schlagwort „Divestment“ haben Investoren den Rückzug aus fossilen Engagements angekündigt – erst vor wenigen Tagen etwa die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland für ihre Institutionen. Städte wie Münster haben ähnliche Beschlüsse getroffen.

Der Essener Prozess könnte - wie immer er am Ende ausgeht – diese Diskussion verstärken, hofft der Chef der deutschen Umweltinitiative Germanwatch, Klaus Milke. „Es kann nicht sein, dass Menschen, die nicht zum Klimawandel beigetragen haben, nun ihre Lebensgrundlage verlieren“, meint die Grünen-Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. Sie hoffe, dass der Kläger Recht bekomme. „Letztendlich brauchen wir eine politische Lösung, damit die Konzerne sich ihrer Verantwortung stellen.“