1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Experimente mit der Soja-Bohne

Landwirtschaft Experimente mit der Soja-Bohne

In Sachsen-Anhalt ist die Anbaufläche der eiweißreichen Soja-Pflanze deutlich gestiegen.

05.06.2017, 23:01

Schleibnitz l Jonas Schulze-Niehoff kniet. Mit seiner Hand streicht er über die grünen Blätter, die sich in zartem Wuchs allmählich aus der Erde trauen. „Das sieht gut aus“, murmelt der 36 Jahre alte Jung-Bauer. Derzeit helfen die warmen Temperaturen seiner Saat, die er auf dem fast fünf Hektar großen Feld bei Schleibnitz (Landkreis Börde) ausgebracht hat. Schulze-Niehoff baut Soja an.

Die Anbaufläche der Bohne ist in Sachsen-Anhalt in den vergangenen sechs Jahren stark gestiegen. Das belegen Zahlen des Statistischen Landesamts in Halle. Demnach ist Soja noch 2009 auf lediglich 114 Hektar Fläche angebaut worden. 2016 war die Pflanze bereits auf fast 900 Hektar Ackerland ausgesät. Im Jahr 2015 hatte die proteinreiche Bohne zwischenzeitlich sogar die 1000-Hektar-Grenze überschritten. Für den leichten Rückgang der Anbaufläche machen Experten des Landwirtschafts-ministeriums in Magdeburg nicht nur klimatische Bedingungen verantwortlich. Die Pflege der Soja-Saat kostet Zeit und manchmal Nerven.

Jonas Schulze-Niehoff ackert seit drei Jahren mit der Soja-Bohne. In einem Jahr war die Ernte ein Totalausfall, erzählt er. Tauben hätten die Sprossen aus dem Borden gezogen. Im vergangenen Jahr erntete er immerhin rund 1,7 Tonnen Soja je Hektar. Schulze-Niehoff hat gelernt wie er mit der besonderen Saat umzugehen hat. „Die Herausforderung ist, vor allem jetzt in der frühen Wachstumsphase, die Pflanzen sauber zu halten“, erklärt der Bauer. Erst vor kurzem hat er seinen Traktor mit einer Hacke so modifiziert, dass er bequem die Triebe von Unkraut befreien kann. Dennoch: „Soja ist keine einfache Frucht und deutlich zeitaufwändiger als andere Kulturen. Ich habe aber sehr viel Spaß daran“, sagt der Landwirt.

Soja braucht als ursprünglich tropische Pflanze viel Wärme und lange Nächte für das Auslösen der Blühphase. Beides hat Sachsen-Anhalt nicht unbedingt zu bieten. Doch mit speziell gezüchteten Sorten und innovativer Anbautechnik könnte sich Soja auch hierzulande durchsetzen. Mit Misserfolgen rechnet aber auch Schulze-Niehoff. „Soja als Kultur-Pflanze ist immer noch neu für mich“, sagt er. Anderen Landwirten rät er, sich mehrere Jahre Zeit zu nehmen für Experimente mit der Pflanze.

Der Bauer hat den Einstieg in die Soja-Produktion bisher nicht bereut. Vor allem, weil er sich keine Sorgen über die Abnahme seiner geernteten Bohnen zu machen braucht. Denn Schulze-Niehoff verzichtet auf seinem Hof auf chemische Dünger, baut Bio-Soja an. Die Ernte des Landwirts ist deswegen gefragt – auch in Sachsen-Anhalt.

Im Bundesland sind im vergangenen Jahr 1632,6 Tonnen Soja geerntet worden. Rund 80 Prozent der Soja-Ernte werden zu Tierfutter weiterverarbeitet. Vor allem die Bio-Bohnen werden immer beliebter, denn seit Jahren steigt die Zahl der Betriebe mit ökologischer Landwirtschaft an. Allein im vergangenen Jahr sind 17 neue Höfe dazugekommen. Derzeit gibt es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Sachsen-Anhalt 355 Bio-Betriebe. Um das Siegel zu bekommen, müssen die Landwirte strenge Regeln einhalten. Chemische Dünger oder gentechnisch verändertes Futter sind zum Beispiel tabu.

Doch auf dem Weltmarkt ist gentechnisch unverändertes Soja schwer zu bekommen. In den Hautptanbaugebieten in Nord- und Südamerika hat sich über die Jahre ein System aus gentechnisch verändertem Saatgut und darauf abgestimmter Unkrautvernichtung bewährt. In Brasilien und Argentinien kritisieren Umweltschützer zudem, dass mit dem Anstieg der Soja-Anbaufläche Regenwälder abgeholzt werden.

Organisationen wie BUND oder WWF unterstützen deswegen den heimischen Soja-Anbau, weil dadurch die Importe aus Südamerika zurückgedrängt werden könnten. In der Europäischen Union ist der Anbau von gentechnisch veränderten Sorten zudem untersagt. So sind die Bohnen aus Europa für viele Bio-Betriebe die einzige Alternative. Deswegen wagen auch in Sachsen-Anhalt immer mehr Landwirte Experimente mit der Soja-Saat.

Eine intensive Landwirtschaft ist für gewöhnlich aber nur mit dem Einsatz von Mineraldünger möglich. Denn viele Pflanzen benötigen zusätzlichen Stickstoff, um Eiweiß zu bilden und wachsen zu können. Soja hingegen gehört zu den sogenannten Leguminosen.

Die Hülsenfrüchte sind in der Lage, Stickstoff aus der Luft in Eiweiß zu verwandeln, kommen auch ohne Dünger aus. In der Fruchtfolge auf dem Feld spielen die Leguminosen deshalb eine wichtige Rolle für den Erhalt der Bodenqualität.

Jonas Schulze-Niehoff hat das beobachtet. „Ich habe gemerkt, wie wichtig Vielfalt für mich als Bio-Betrieb ist“, sagt er. 275 Hektar Ackerland zählen zu seinem Hof. Insgesamt baut er elf verschiedene Kultur-Pflanzen an. Seit 2009 hat er einen eigenen Betrieb. Das landwirtschaftliche Blut seiner Familie haben Historiker allerdings bereits bis ins Mittelalter zurückverfolgen können. Nach der Wende siedelten seine Eltern in den Osten über. Später übernahm Schulze-Niehoff gemeinsam mit seinem Bruder die Betriebsmittel des Vaters. Heute arbeiten die beiden Männer rund zehn Kilometer voreinander entfernt an ihrem landwirtschaftlichen Glück. Seinen Hof bewirtschaftet Schulze-Niehoff zusammen mit drei Mitarbeitern.

Zuletzt experimentierte der Landwirt auch mit Quinoa – noch so eine Saat, die nicht unbedingt in Sachsen-Anhalt zu Hause ist. Die mehr als 5000 Jahre alte Kulturpflanze stammt ursprünglich aus den Anden, wuchs dort auf rund 4000 Meter Höhe. Im September will er das glutenfreie Getreide ernten, zeitgleich mit Soja. Dann hofft er auf trockenes Wetter. Denn Regen könnte einen Teil der Ernte zerstören und so die Fortschritte der Soja-Bauern in Sachsen-Anhalt zurückwerfen.