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Milchbranche Aeikens für flexiblere Lieferbeziehungen

Staatssekretär Hermann Onko Aeikens plädiert im Interview für flexiblere Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Betrieben.

04.11.2016, 23:01

Berlin l Im Supermarkt ist in dieser Woche der Preis für einen Liter Milch gestiegen. Hermann Onko Aeikens (CDU), Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, spricht im Interview mit der Volksstimme über die kommenden Herausforderungen für Milchviehhalter.

Volksstimme: Herr Aeikens, ist die Milchkrise jetzt überstanden?

Hermann Onko Aeikens: Die Milchpreise gehen zwar allmählich nach oben, ich würde aber noch nicht davon sprechen, dass die Milchpreis-Krise überstanden ist. Landwirte erhalten derzeit etwa 25 Cent pro Kilogramm Rohmilch. Ich bin optimistisch, dass wir zur Jahreswende die 30-Cent-Marke knacken. Wegen steigender Exporte nach China und der Reduktion der Menge in den großen Produktionsgebieten der Welt habe ich Hoffnung, dass wir wieder in eine Phase mit stabilen Preisen kommen.

Ein Liter Milch im Supermarkt ist in dieser Woche um bis zu 19 Cent teurer geworden. Was kommt davon bei den Bauern an?

In Deutschland werden nur etwa 10 bis 15 Prozent der erzeugten Rohmilch zu Trinkmilch verarbeitet. Wir können also nicht davon ausgehen, dass die Preiserhöhung eins zu eins bei den Landwirten ankommt. Dieses Signal zeigt aber, dass eine Trendwende auf dem Milchmarkt zu verzeichnen ist.

Milch wird teurer. Ist jetzt alles wieder gut?

Nein. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns auf derartige Situationen besser einstellen. Die Milchbranche muss sich besser vorbereiten. Zum Beispiel brauchen wir mehr Flexibilität in den Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und landwirtschaftlichen Betrieben. Signale des Marktes müssen schneller als bisher erkannt werden: Wenn eine Molkerei nicht mehr in der Lage ist, einen adäquaten Preis für die gelieferte Milchmenge zu erzielen, muss mit den Lieferanten darüber geredet werden, wie die Milchproduktion reduziert werden kann. Es ist besser, wenn diese Regulierungen intern getroffen werden, als wenn der Staat eingreift. Die rechtlichen Möglichkeiten für interne Regelungen liegen vor. Für gemeinsame Absprachen von Agrarorganisationen zur Planung der Produktion haben wir im Agrarmarktstrukturrecht den rechtlichen Rahmen für die Anwendung einer entsprechenden befristeten EU-Regelung geschaffen. Der Staat hat also Möglichkeiten geschaffen, die es der Wirtschaft erleichtern, flexibler auf niedrige Milchpreise zu reagieren. Das muss der Weg sein, um mit einer Krise besser fertig zu werden.

Einige Betriebe haben ihre Produktion auf Biomilch umgestellt. Ist das ein weiterer Weg?

Auch das ist eine Lehre aus der Milchkrise: Die Branche muss einen Mehrwert schaffen. Biomilch bringt für den Produzenten derzeit etwa einen Preisvorteil von 20 Cent pro Kilogramm gegenüber konventioneller Milch. In Deutschland gibt es Potenzial in diesem Segment, da ein Teil der Biomilch für den heimischen Markt noch immer importiert wird. Gleichzeitig muss hier darauf geachtet werden, dass der Markt nicht kaputtgemacht wird. Die Molkereien sind gefragt, den Überblick zu behalten, und zu erkennen, wie viel Biomilch sich zu auskömmlichen Preisen absetzen lässt.

Infografik: Verbraucher befürworten Milchsubventionen | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Müssen Landwirte kreativer werden, was den direkten Verkauf ihrer Milch angeht? Stichwort: Milchtankstellen.

Es gibt ohne Frage sehr erfolgreiche Betriebe, die ihre Produkte direkt vermarkten. Dennoch werden Einrichtungen wie Milchtankstellen immer ein Nischen-Geschäft bleiben. Zudem ist die Direktvermarktung eine hohe zusätzliche Arbeitsbelastung.

Seit 2014 sind die Milchpreise gefallen. Für viele Bauern war die Zeit schmerzhaft. Länder, Bund und EU haben versucht, zu unterstützen. Wie bewerten Sie bisherige Finanzhilfen?

Fast 600 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln sind in den Krisenjahren für die Landwirtschaft in Deutschland zur Verfügung gestellt worden. Die unterschiedlichen Hilfen werden auch angenommen. Am EU-Programm zur Mengenreduzierung haben sich etwa 11 000 Betriebe in Deutschland beteiligt. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett die gesetzlichen Grundlagen für ein erneutes Liquiditätshilfeprogramm in Höhe von 116 Millionen Euro aus Mitteln von Bund und EU beschlossen.

Anfang des kommenden Jahres werden wir zudem ein Bürgschafts-Programm in Höhe von 150 Millionen Euro auflegen. Zudem wird es Steuererleichterungen geben, sodass Betriebe Gewinne mit Verlusten aus schlechten Jahren über drei Jahre verrechnen können. Der Finanzminister nimmt für dieses Programm sogar einen jährlichen Steuerausfall in Höhe von 50 Millionen Euro in Kauf. Zudem werden wir 2017 die landwirtschaftlichen Betriebe noch mal um zusätzlich 78 Millionen Euro bei der Unfallversicherung entlasten. Natürlich können wir damit nicht alles kompensieren, was am Markt passiert. Aber wir lassen die Milchviehhalter in dieser schweren Phase nicht alleine.

Was halten Sie von einem Mindestpreis für Milch?

Ein Mindestpreis würde theoretisch den Betrieben helfen, aber gleichzeitig führt ein fester Abnahmepreis auch dazu, dass Mengen auf den Markt kommen, die nicht abzusetzen sind. Wir leben in einer Welt offener Grenzen. Deutsche Molkereien könnten ihre Milchprodukte dann nicht mehr verkaufen, weil der Handel aus Nicht-EU-Staaten Produkte importieren und zu günstigeren Preisen anbieten würde. In der Praxis funktioniert das nicht.