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Milchpreise Ein gnadenloser Wettbewerb

Der Milchpreis hat den niedrigsten Stand seit sechs Jahren erreicht. Bauern fürchten um ihre Existenz.

14.08.2015, 23:01

Schwarzholz l Eine Lady im Kuhstall. Mylady ist die schönste Kuh des Landes Sachsen-Anhalt. Eine Jury hatte das Tier im vergangenen Jahr prämiert. Ihre Heimat ist der Stall von Peter Schuchmann im 300-Seelen-Dorf Schwarzholz in der Altmark. Mylady ist eine Red Holstein. Etwa 750 Kilogramm schwer, 1,60 Meter hoch. Brave, runde Augen. Unter ihrem Fell ragen die Rippen hervor. Kantig sieht sie aus. Milchkühe setzen kaum Fett an. Mylady soll Milch geben. Dreimal am Tag. Etwa 10 000 Liter jährlich.

Peter Schuchmann verdient mit dieser Milch seinen Lebensunterhalt. Bis zu 200 000 Liter geben seine 120 Kühe im Monat. Schuchmann muss mit den Einnahmen knallhart kalkulieren. Gerade jetzt, wo sein Betrieb nicht mehr kostendeckend arbeiten kann. Denn derzeit ist zu viel Milch auf dem Markt. Nach dem Ende der Milchquote im April ist die Menge noch mal gestiegen. Eine Steigerung, die zum falschen Zeitpunkt kommt. Denn die Abnehmer fehlen. Der russische Markt wird sanktioniert, die Konjunktur in asiatischen Märkten wie China schwächelt.

Die Bauern stecken in einem Dilemma. Denn je mehr Milch auf den Markt kommt, desto stärker geraten die Preise unter Druck. „Im Moment machen wir rund 120 000 Euro Verlust im Monat“, sagt Schuchmann, der auch Landesvorsitzender des Bundes deutscher Milchviehhalter in Sachsen-Anhalt ist.

Mylady gibt pro Tag etwa 34 Liter Milch. Pro Liter erhält Schuchmann derzeit nur noch 26 Cent. Nicht genug, um Gewinn zu machen. Das Futter von Mylady kostet schon etwa vier Euro am Tag. Hinzu kommen Tierarztkosten, die Ausgaben zum Betrieb des Hofes und das Gehalt seiner sieben Mitarbeiter. Rund 20 000 Euro Lohnkosten hat Schuchmann im Monat. Im vergangenen Jahr hat er zudem in den Bau einer Biogasanlage investiert. Auch den Kredit muss er weiter abbezahlen. 2009, als Mylady geboren wurde, erlebte der Milchpreis die letzte Talfahrt. Damals kippten einige Landwirte aus Protest ihre Milch auf den Feldern aus. Als Mylady drei Jahre alt war, bewegte sich der Preis gerade wieder nach oben. Ende 2013 bekamen einige Milchviehhalter bis zu 40 Cent je Liter. Im vergangenen Jahr gewann Mylady den Orden als schönste Kuh Sachsen-Anhalts. Das war kurz vor Ende der europäischen Milchquote.

Über 30 Jahre war die Milchproduktion durch den Staatenbund reguliert. Jedes EU-Mitglied hatte eine vorgegebene Menge Milch an seine Bauern verteilt. So sollte eine Überproduktion vermieden und die Preise stabil gehalten werden. Wollte ein Landwirt mehr Kühe im Stall haben, musste er Quote von einem seiner Konkurrenten dazukaufen oder pachten. Denn überschritt ein Bauer seine zugeteilte Milchmenge, musste er empfindliche Strafzahlungen aus Brüssel befürchten.

Seit dem 1. April ist diese Quote Geschichte. Nun rächt sich, dass so viel Milch auf dem Markt ist. „Die Milch ist den Gesetzen des Marktes unterworfen. So wie jedes andere Produkt in einer Marktwirtschaft auch. Erst wenn Betriebe aufgeben, wird weniger Milch auf dem Markt sein. Das ist ein gnadenloser Wettbewerb“, sagt Schuchmann. Wegen des Überangebots kostet ein Liter Milch in Supermärkten derzeit nur noch ab 55 Cent. Doch der 54-Jährige denkt nicht daran, aufzugeben. Auch diese Milchkrise werde sein Betrieb überstehen. Aber Schuchmann hat sich Alternativen überlegt. Während die Preise für die konventionelle Milch starken Schwankungen ausgesetzt sind, ist der Markt für Biomilch seit Jahren stabil. Derzeit erhalten Bio-Bauern einen Milchpreis von 46 Cent pro Kilo.

Seinen Hof rüstet Schuchmann nun auf Bio-Landwirtschaft um. Einen entsprechenden Antrag hat er bereits gestellt. „Wir sehen da mehr Verlässlichkeit im Markt“, sagt er. Ab November 2016 soll es so weit sein. Bis dahin wollen Schuchmann und Mylady durchhalten und sich irgendwie einen Weg durch die Milchkrise bahnen. Meinung