1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Milliarden für den Fernen Osten

Russland Milliarden für den Fernen Osten

Mit einem Wirtschaftsgipfel an der Pazifikküste will der Kreml die entlegene Region aufwerten.

21.08.2015, 23:01

Wladiwostok (dpa) l Riesige Flächen, viele Rohstoffe – aber kaum Menschen: Russlands einzigartige Pazifikregion führt seit Jahrzehnten ein Dasein im Schatten der Glitzermetropolen Moskau und St. Petersburg. Nun will Präsident Wladimir Putin mit einem großen Wirtschaftsgipfel die Entwicklung des Gebiets mit Macht vorantreiben. Hunderte Manager und Experten werden Anfang September in Wladiwostok erwartet. Die größte Delegation stellt das Nachbarland China.

„Von der Konferenz sollen wichtige Impulse ausgehen“, betont der russische Vizeregierungschef Jiri Trutnew. Russlands Ferner Osten ist doppelt so groß wie Indien – und benötigt dringend eine Strategie. Für den Kreml ist die Entwicklung der Grenzregion im Spannungsfeld zwischen China, Japan und den USA nicht nur eine Frage der nationalen Sicherheit. Wegen der Nähe zum Wachstumsmarkt Asien hat das Gebiet auch großes wirtschaftsstrategisches Gewicht.

„Russlands Ökonomie ist zu stark auf das stagnierende Europa ausgerichtet“, sagt Artjom Lukin von der Universität Wladiwostok in einem Interview russischer Medien. „Will Russland an der blühenden asiatischen Wirtschaft teilhaben, muss es seine pazifischen Gebiete entwickeln“, meint er. Wie unterentwickelt der Ferne Osten derzeit ist, verdeutlichen die Zahlen: Zwar macht die Region immerhin ein Drittel von Russlands Staatsgebiet aus, sie steuert aber nur knapp sechs Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Dabei besitzt sie fruchtbares Land, große Wälder und Ressourcen wie Erdöl und Erze.

Doch seit Jahren entvölkert sich das Gebiet, das mit sechs Millionen Menschen ohnehin dünn besiedelt ist. Zum Vergleich: Allein Moskau hat mehr als doppelt so viele Einwohner. Schätzungen zufolge sind in den vergangenen gut 20 Jahren etwa 1,5 Millionen Menschen aus Fernost abgewandert. Im europäischen Teil des Riesenreichs lässt es sich leichter leben – die Aussichten auf Arbeit etwa gelten als besser, auch die Infrastruktur ist deutlich entwickelter.

Bisherige Regierungsprogramme konnten diese Entwicklung kaum bremsen. Noch mehr Gutausgebildete könnten wegziehen, sollte der Kreml nicht nachhaltig mit einer auf die Region ausgerichteten Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik gegensteuern, meint der Soziologe Juri Sedow. „Geschieht dies nicht, spricht der Ferne Osten irgendwann kein Russisch mehr.“ Immer mehr Chinesen würden dann über die Grenze kommen. Bereits heute gibt es in einigen russischen Städten der Region chinesische Viertel mit zweisprachigen Verkehrsschildern.

Gegen Investoren aus dem Reich der Mitte – immerhin die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt – hat der Kreml nichts. Aber Moskau will in dem strategisch wichtigen Gebiet rund 6000 Kilometer östlich der Machtzentrale nicht zu viel Einfluss Pekings. Jahrzehntelang war Wladiwostok als Sitz der sowjetischen Pazifikflotte eine geschlossene Stadt. Nun plant Putin Milliardeninvestitionen. Denn angesichts des Nachholbedarfs ist offenbar, dass der Staat als Vorleistung viel investieren muss, bevor Privatkapital spürbar in die Region strömt.

Für einen Asien-Pazifik-Gipfel in Wladiwostok entstanden bereits vor drei Jahren für 16 Milliarden Euro bessere Straßen und eine neue Universität. Der Campus auf der vorgelagerten Insel Russki ist auch Tagungsort des jetzigen Wirtschaftsforums. Wladiwostok spielt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der Region. Nach St. Petersburg ist die Stadt mit rund 650 000 Einwohnern der wichtigste Hafen Russlands. Ende Juli unterzeichnete Putin ein Gesetz, das Wladiwostok den Status eines „Freien Hafens“ verschafft. Abgaben fallen nun weg.

Putin kündigte zudem die Bildung einer Sonderwirtschaftszone im Fernen Osten an. Niedrige Steuersätze sollen etwa Japans Autobauer zu einem Joint Venture bewegen. Dass schon bald alles gut ist – das will auch der Kremlchef nicht zusagen. Bis sich die Lage bessere, werde es Jahre dauern, räumt er vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und westlicher Sanktionen in der Ukrainekrise ein.

Im Werben um Investoren setzt der Kremlchef in Wladiwostok auch auf einen eher ungewöhnlichen Gast: Ex-„Baywatch“-Star Pamela Anderson. Was klingt wie ein lupenreiner PR-Gag Putins, wird von der US-Schauspielerin in einer Mitteilung bestätigt: An der stürmischen Pazifikküste wolle sie über Tierschutz und Fortschritt sprechen – und damit die Welt ein wenig besser machen.