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RWE „Grün“ statt Atom und Kohle

Der Energiekonzern RWE startet seine Zukunftstochter. Doch wie gut sind die Chancen dafür?

31.03.2016, 23:01

Essen (dpa) l Viele Jahre stand RWE in der ersten Reihe der Kernkraft-Befürworter. Ex-Vorstandschef Jürgen Großmann kokettierte mit dem Etikett „Atom-Dino“, und die klimaschädliche Verstromung von Braunkohle im Rheinischen Revier brachte den Essenern jedes Jahr satte Millionengewinne. Unter dem Druck der Energiewende und der zerbröselnden Börsen-Strompreise ist diese Ära endgültig vorbei.
Am 1. April startet RWE seine Zukunftsgesellschaft – rund um die intern einst eher belächelte Ökostrom-Sparte. Eine Zeitenwende für den Konzern, auch wenn auf den ersten Blick alles weiterläuft wie gehabt. Die neue Gesellschaft wird keine Mini-Tochter für grüne Paradiesvögel mit ein paar hundert Mitarbeitern, sondern der neue Kern der RWE mit zwei Dritteln der rund 60 000 Konzern-Beschäftigten und dem bisherigen Gesamtkonzernchef Peter Terium an der Spitze.
Der einstige Stolz der Firma – die konventionellen Kraftwerke – bleibt zusammen mit dem Handel und zunehmend unsicheren Aussichten im Mutterkonzern. RWE fasst die erneuerbaren Energien dabei mit den ebenfalls zukunftsträchtigen Sparten – dem Netzgeschäft und dem Vertrieb – zusammen.
Das große Ziel ist es, RWE fit für die Zukunft zu machen – und das heißt vor allem, mehr Geld in erneuerbare Energien zu stecken. RWE hat die Goldgräberzeiten der Energiewende verschlafen, wie auch Führungskräfte mittlerweile einräumen.
Der Erneuerbaren-Anteil an der RWE-Erzeugungskapazität dümpelte lange Zeit bei unter fünf Prozent, während der Konkurrent Eon längst zweistellige Werte vorweisen konnte. Als der Fehler erkannt wurde, fehlten dem hoch verschuldeten Unternehmen Investitionsmittel.
Nur rund eine Milliarde Euro können die Essener derzeit verteilt über drei Jahre in die Öko-Energien pumpen - Eon drei Mal so viel. Genau an dieser Stelle soll die neue Gesellschaft Abhilfe schaffen.
RWE will Ende 2016 – je nach Börsenstimmung möglicherweise auch etwas später – zunächst rund 10 Prozent der Aktien der neuen Gesellschaft im Zuge einer Kapitalerhöhung an die Börse bringen. Weitere Schritte könnten später aus dem Aktienbestand – also ohne Aufstockungen – folgen, hat das Unternehmen angekündigt. Das soll RWE einen Sprung nach vorn beim Erneuerbaren-Ausbau ermöglichen.
Andererseits ist schon jetzt das Überangebot an erneuerbarer Energie zumindest auf dem deutschen Markt gewaltig. „Die Energiewende wartet schon lange nicht mehr auf RWE. Der Dinosaurier wird es schwer haben, Fuß zu fassen“, sagt Greenpeace-Branchenexperte Tobias Austrup. Die Essener werden zudem noch viele Jahre mit der teuren Abwicklung der Atomkraft und später der Kohle beschäftigt sein.