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Spritverbrauch Autobauer schummeln systematisch

Autos verbrauchen im Schnitt 42 Prozent mehr Sprit und stoßen mehr Abgase aus, als von den Herstellern bislang angegeben wird.

17.11.2016, 23:01

Magdeburg l Auf Europas Straßen sind nach einer Studie der internationalen Umweltorganisation ICCT im vergangenen Jahr Millionen Autos mit deutlich überhöhtem Verbrauch und CO2-Ausstoß unterwegs gewesen. Die Organisation, die den VW-Diesel-Skandal in den USA 2015 mit aufgedeckt hatte, nennt in der am Donnerstag vorgelegten Analyse eine durchschnittliche Abweichung zwischen tatsächlichen Fahrwerten und offiziellen Herstellerangaben von 42 Prozent.

Die Hauptursache der „Diskrepanz“ sieht ICCT-Europa-Chef Peter Mock darin, dass die Autokonzerne „immer systematischer Schlupflöcher in der bestehenden Regulierung ausnutzen“. So würden zahlreiche für den Prüfstand verwendete Wagen gezielt für die Testsituation optimiert. Auf der Straße hätten sie dann teils ganz andere Verbrauchswerte, so Mock gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Nie sei die „Kluft zwischen offiziellem und tatsächlichem Verbrauch“ so groß gewesen.

Aus Sicht der Umweltorganisation Greenpeace ist die Glaubwürdigkeit der Auto-branche nach der Vorlage neuer Daten über drastisch höhere Verbrauchs- und CO2-Werte schwer beschädigt. „Die Industrie steht vor dem Scherbenhaufen ihrer Verweigerungshaltung“, meinte Energie- und Verkehrsexperte Tobias Austrup gegenüber der dpa. Einmal mehr zeigt sich, dass Verbrennungsmotoren nicht nur Dreckschleudern, sondern auch enorme Spritfresser sind.“

Doch wie objektiv ist die Studie der ICCT? Für ihre Analyse griffen die Autoren auf Angaben privater Autonutzer bei spezialisierten Verbrauchs-Webseiten, Tankdaten von Leasingfirmen, Straßentests von Fachzeitschriften und Messungen von Autoclubs zurück. Daten für etwa eine Million Autos seien in die Untersuchung eingeflossen.

Beim deutschen Autoclub ADAC hält man sich mit einer konkreten Bewertung der Studie zurück, da sie Fragen aufwirft. „Wie objektiv die Studienergebnisse sind, kann niemand nachvollziehen, da nicht klar ist, wie die Autoren die Daten aus den unterschiedlichen Quellen miteinander verrechnet und gewichtet haben“, erklärt ein ADAC-Sprecher auf Volksstimme-Anfrage. „Auch ist die Frage, welche Rolle das Fahrverhalten der Autofahrer in dem Test gespielt hat.“

Der Autoclub hat allerdings auch selbst in den vergangenen Jahren zahlreiche Tests durchgeführt und ebenfalls Abweichungen nachgewiesen. „Wir testen schon lange nicht mehr nur auf dem Prüfstand, sondern bemühen uns um möglichst reale Tests“, so der Sprecher weiter. Ergebnis: Im Schnitt würde die durchschnittliche Abweichung bei den getesteten Autos bei 17 Prozent liegen. „Die europäischen Autobauer haben insofern schon die Schlupflöcher, die ihnen die Politik gewährte, entsprechend ausgenutzt.“

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) erklärte am Donnerstag, dass seit langem klar sei, dass es Unterschiede zwischen Labor- und Straßenwerten gibt. Er verwies auch darauf, dass ab kommendem Jahr europaweit neue, schärfere Teststandards eingeführt werden sollen. „Der Verbraucher bekommt mehr Verlässlichkeit.“

Tatsächlich hatte die ICCT schon vor drei Jahren eine Untersuchung veröffentlicht. Damals kam die Umweltorganisation auf eine durchschnittliche Abweichung der Verbrauchswerte von 25 Prozent.

Der ADAC rechnet mit der Einführung der neuen Test-Standards ab Herbst 2017. „Die Politik wäre gut beraten, Spielräume für die Automobilkonzerne künftig zu vermeiden“, so der ADAC-Sprecher weiter.

Das fordert auch Michael Müller-Görnert vom ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) gegenüber der dpa: „Die zuständigen Politiker im Verkehrs- und Umweltministerium in Berlin wie auch in Brüssel müssen dem endlich einen Riegel vorschieben.“ Sonst bestehe die Gefahr, dass Autobauer auch bei neuen Testverfahren „ihre Kreativität einsetzen“.