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Starke Frauen Simstedt: "Ich kann Männersprache"

Die Volksstimme stellt starke Frauen in der Wirtschaft vor: Katrin Simstedt ist Inhaberin der Bowdenzugmanufaktur in Quedlinburg.

06.01.2017, 23:01

Quedlinburg l Baufahrzeuge, Motorräder, Schneefräsen – sie alle kommen ohne Bowdenzüge nicht aus. Die Züge sind vielseitig einsetzbar, auch die Gangschaltung am Fahrrad braucht in der Regel einen Schaltzug, der aus einem Drahtseil besteht, das durch eine stabile Hülle läuft. Katrin Simstedt kennt sich mit den filigranen Bauteilen mittlerweile gut aus, seit 2012 ist sie die Chefin der Bowdenzugmanufaktur in Quedlinburg.
Den Betrieb hat die 51-Jährige aus der Insolvenz heraus gekauft und in den vergangenen Jahren zurück auf die Erfolgsspur gebracht. „Ich wusste, dass die Pleite mit schweren Management-Fehlern zu tun hatte, deshalb war ich von Anfang an von der Zukunftsfähigkeit der Manufaktur überzeugt“, erzählt sie. Die Geschichte des Betriebs reicht 58 Jahre zurück, schon zu DDR-Zeiten waren die Bowdenzüge aus Quedlinburg ein gefragtes Produkt.
Heute behauptet sich die Manufaktur mit Einzelanfertigungen, Kleinserien und Reparaturen am Markt, Simstedt beliefert nicht nur Kunden in Deutschland, sondern auch in europäischen Nachbarländern. Etwa 100 Pakete verlassen den Betrieb im Monat, mehr als 10?000 Bowdenzüge fertigen die acht Mitarbeiter im Jahr.
Schon vor der Firmenübernahme hat Simstedt zeitweise in der Manufaktur gearbeitet, doch Berufserfahrung hat sie über verschiedene Stationen gesammelt. Studiert hat sie einst Bergbautechnik, sie hat darin auch ihr Diplom gemacht. Nachdem Simstedt 1988 der Liebe wegen nach Quedlinburg gezogen war, arbeitete sie unter anderem bei Aldi in der Personalabteilung und bei einem Dachdecker im Büro. Erste Erfahrungen als Selbstständige sammelte sie mit der Eröffnung eines Einzelhandelsgeschäfts in der Innenstadt von Quedlinburg. Später folgte dann der Wechsel in die Manufaktur. Das unternehmerische Risiko nimmt Simstedt eher gelassen. „Ich musste zwar einen Kredit aufnehmen, aber ich war von Anfang an überzeugt, dass ich den auch zurückzahlen werde.“
Eine Herausforderung sieht sie viel mehr in der Mitarbeiterführung. „Man muss auch mit Männern arbeiten können in unserem Betrieb“, erzählt sie, „mit 20 hätte ich mich nicht getraut, die Firma zu übernehmen.“ Eine wichtige Qualifikation habe sie sich aber bereits im Bergbau-Studium angeeignet: „Ich kann Männersprache.“ Männer würden klare Anweisungen benötigen, dann würden sie auch machen, was man von ihnen verlangt.
Ihr sei aber auch ein gutes, familiäres Klima im Betrieb wichtig. „Es ist nicht nur jeder Mitarbeiter anders, sondern jeder ist auch jeden Tag anders drauf.“ Alle hätten ihre kleinen Alltagsprobleme. „Wenn dann eine Reihe an Qualitätsproblemen kommt, dann rede ich mit den jeweiligen Mitarbeitern“, so Simstedt. Wert lege sie auch auf das gemeinsame Essen und auf Transparenz. „Ich habe die Zahlen der Firma auch mal den Mitarbeitern offengelegt.“
Eine Enttäuschung musste sie in den vergangenen Jahren trotzdem wegstecken. „Ich musste einen Produktionsleiter entlassen, der unter anderem versucht hat, die Mitarbeiter gegen mich auszuspielen – das hat mich schon sehr ent- täuscht.“
Doch für Simstedt ist das Schnee von gestern. In die Rolle als Chefin ist sie hineingewachsen. „Meist höre ich mir die Meinungen an, entscheide dann aber selbst.“ Es sei auch eine Frage der Ausstrahlung, ob man als Chefin akzeptiert werde. „Ich hatte schon immer viel Selbstbewusstsein.“
Wichtig für Simstedt ist auch, dass sie abschalten kann. „Ich kann auch nachts schlafen, selbst wenn es größte Probleme im Betrieb gibt, denn ich weiß, ich kann die Probleme nicht nachts klären.“ Sie freut sich auch darüber, dass ihr Lebensgefährte und ihre Tochter ihr den Rücken frei halten.
In nächster Zeit will Simstedt den Betrieb weiter modernisieren und ein neues Verwaltungsgebäude bauen. Wenn alles rund läuft, soll die Tochter dann übernehmen. „Ich bin vom Sternzeichen her Schütze, mir wird schnell langweilig“, betont Simstedt und lächelt.
Sie könnte sich gut vorstellen einen anderen Betrieb zu übernehmen und weiterzuführen. „Ich brauche Abwechslung und es gibt viele Betriebe, die einen Firmennachfolger suchen“, sagt sie. „Für den Ruhestand bin ich jedenfalls noch viel zu jung.“
Mehr starke Frauen gibt es hier.