Startup Möhren per Mausklick

Warnau: Brokkoli, Tomaten oder Kartoffeln? Mit einem Mausklick bestimmen die Kunden von IP Garten, was angebaut wird.

08.08.2017, 23:01

Warnau l Martin Kruszka stapft den Weg zwischen den kleinen Beeten entlang. Bei der Parzelle von Saskia bleibt er kurz stehen. „Sie hat sehr gut angepflanzt. Das funktioniert alles. Salat neben Roter Bete, Radieschen und Bohnen. Das passt. Ob das nun Zufall ist, oder ob sie sich wirklich Mühe gegeben hat, das weiß ich nicht“, sagt Kruszka.

Saskias Gemüse wächst in dem wohl ungewöhnlichsten Garten Deutschlands – und der liegt ausgerechnet in Sachsen-Anhalt. 16 braune Rohre ragen darüber hinaus, an denen zu allen Seiten Kameras montiert sind. In jeder Parzelle gibt es Bewässerungsventile, im Boden stecken Sensoren, die zu jeder Zeit Auskunft über den Zustand des Ackers geben. Willkommen im IP Garten! Martin Kruszka hatte vor drei Jahren die Idee, heute sind bereits 50 Kunden auf der Plattform angemeldet. Die Kleingärtner können vom Sofa aus ihre Parzellen pflegen, bestimmen per Mausklick, welches Gemüse wo angebaut und wann gewässert wird.

16 Quadratmeter stehen jedem Kunden in seiner Parzelle zur Verfügung. Wenn Möhren, Gurken und Zwiebeln reif sind, erntet das Team von IP Garten das Gemüse und bringt es nach Berlin. Im Stadtteil Schöneberg können die Kunden ihre Ernte abholen. Viele spenden aber auch, zum Beispiel an die Tafeln in der Hauptstadt. 395 Euro kostet eine Parzelle im Jahr. Im Urlaub kann ein Autopilot hinzugebucht werden. Lassen die Kunden ihre Gärtnertätigkeit schleifen, greifen die IP Gärtner aber ohnehin ein.

Das Berliner Startup bringt die Kleingärten zurück in die Großstadt, wenn auch nur über das Internet. Von der Auswahl der Samen und Pflanzen übers Graben und Gießen setzen die Gärtner auf dem Acker in Sachsen-Anhalt jeden digitalen Befehl analog um. Auf der Benutzeroberfläche haben die Kunden nicht nur ihren Garten im Blick, auch zusätzliche Dienstleistungen wie Tomaten hochbinden oder Kartoffelkäfer einsammeln können sie dazubuchen. „Mit IP Garten wollen wir den Großstädtern zeigen, wo ihr Gemüse herkommt und wie aufwendig der Anbau ist“, erklärt Martin Kruszka. Eine Berliner Schulklasse gärtnert schon mit.

Der 47 Jahre alte Familienvater Kruszka flüchtet als gestresster Großstädter seit Jahren auf das Land, ist begeisterter Hobby-Gärtner.

An einem Tag vor etwa drei Jahren fährt der freundliche Mann mit der Glatze erneut aus Berlin in die sachsen-anhaltische Provinz. Ein Blick auf das verwelkte Kräuter-Beet verrät, dass Kruszka länger nicht mehr hier gewesen ist. Er überlegt. Im Internet sucht er nach Bewässerungssystemen mit Zeitschaltuhr. Irgendwann landet er beim Browsergame Farmville, in dem es darum geht, einen virtuellen Bauernhof aufzubauen und zu betreiben. Mit IP Garten bringt Kruszka jetzt das Prinzip des Spiels in die Realität. Inzwischen sind auch mehrere Investoren an der Firma beteiligt. Insgesamt neun Mitarbeiter sind derzeit damit beschäftigt, das Geschäft von IP Garten auszubauen.

Davon sollen auch Landwirte in Sachsen-Anhalt profitieren. Zur nächsten Anbau-Saison will das Startup bereits rund 600 Kunden eine Parzelle anbieten können. Bei rund 3,5 Millionen Einwohner in Berlin gebe der Markt das her, sagt Boris Thiemig, der bei IP Garten für das Fördermittelmanagement zuständig ist. Seinen Job hat er in letzter Zeit recht erfolgreich erledigt: Rund 30.000 Euro erhält IP Garten demnächst aus dem Förderprogramm „Landaufschwung“ vom Bundeslandwirtschaftsministerium, weil das Startup bei seinen Expansionsplänen auch Landwirte in der Region miteinbezieht. „Wir digitalisieren die Altmark“, sagt Thiemig forsch.

Derzeit sucht IP Garten in der Region nach Partnern. Die Berliner benötigen neben Ackerland auch landwirtschaftliches Know-how. Für die Bauern in der Altmark bieten sich so auch neue Verdienstmöglichkeiten, sagt Martin Kruszka. Über den Online-Shop sollen sich die Kleingärtner von zu Hause aus Profi-Tipps kaufen können. Landwirte könnten zudem an IP-Garten-Kunden auch eigene Produkte vermarkten, kündigt Kruszka an.

Durch die Digitalisierung im Grünen wird die Arbeit auf dem Land transparenter. Vom Sofa aus können die User jeden Schritt verfolgen. Martin Kruszka denkt unterdessen bereits darüber nach, seine Idee auch auf die Tierhaltung auszudehnen: In der kommenden Wochen will er ein Hühnerhaus bauen und damit den Grundstein für IP Huhn legen.