Stromtrasse Neustart unter der Erde

Bei der Stromautobahn von Sachsen-Anhalt nach Bayern sollen vor allem Erdkabel verlegt werden. Fast drei Jahre Planung sind verloren.

07.06.2016, 23:01

Magdeburg/Berlin l Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz muss seine Planungen für die Stromautobahn von Sachsen-Anhalt nach Bayern weitgehend von vorne starten. „Die neuen Vorgaben bedeuten fast drei Jahre Zeitverlust“, sagte Olivier Feix, der bei 50Hertz Leiter für Umweltschutz und Genehmigungen ist, der Volksstimme.

Dabei war eigentlich alles genau getaktet. Ab 2022, wenn die letzen Atomkraftwerke vom Netz gehen, sollte die Trasse Windstrom aus Sachsen-Anhalt nach Bayern transportieren. Doch dann regte sich im Süden Widerstand – mit Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) an der Spitze. „Die Monstertrassen müssen weg“, lautete das Credo der Trassengegner. Sowohl der „SuedOstLink“ aus Sachsen-Anhalt als auch der „SuedLink“ waren dem bayerischen Landvolk ein Dorn im Auge. Als Kompromiss sollen statt hässlicher Freileitungen nun unterirdische Leitungen in den Süden verlaufen. Das beschloss die Bundesregierung Ende des vergangenen Jahres.

Doch das kostet nicht nur viel mehr Geld, sondern auch Zeit. Bei Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz löst das nicht nur Jubelstürme aus. Denn für Erdkabel gelten andere Vorgaben als für Freileitungen. Bei den Masten spielt der Vogelschutz eine zentrale Rolle. Bei Erdkabeln sind es Moore, Flusstäler, Wälder und andere besondere Gebiete. Korridore für Freileitungen sind nicht automatisch auch für Erdkabel geeignet. „Ein Fluss wird einfach überspannt. Nun müssen wir uns das Flussbett genau ansehen. Erdkabel sind eine ganz andere Herausforderung“, erklärte Olivier Feix. Die Neuplanungen bedeuten Zeitverlust. Dass die Stromleitung von Sachsen-Anhalt nach Bayern 2022 ans Netz geht, ist endgültig vom Tisch. 50Hertz plant derzeit mit einer Inbetriebnahme der Leitung im Jahr 2025, bestätigte Feix.

„Die Veränderungen haben massive Auswirkungen auf das Projekt. Wir haben die Planungen neu aufgesetzt“, sagte er. Neben dem Vorrang für Erdkabel meint Feix den neuen Endpunkt der Trasse. Von Wolmirstedt aus wird die Leitung nach derzeitigem Stand bis zum Kernkraftwerk Isar bei Landshut führen. Bisherige Planungen gingen vom Endpunkt Grundremmingen aus. Wegen der Endpunkt-Verschiebung hat 50Hertz für das Projekt „SuedOstLink“ auch einen neuen Partner. Nicht mehr Netzbetreiber Amprion wird die Planung des südlichen Teils übernehmen, sondern Tennet.

Durch Sachsen-Anhalt werden etwa 150 der insgesamt rund 500 Kilometer langen Leitung führen. Ende März 2017 will 50Hertz der Bundesnetzagentur mehrere Korridor-Vorschläge unterbreiten, in denen die Erdkabel verlegt werden könnten. „Zuvor aber stellen wir Alternativen, die uns sinnvoll erscheinen, vor Ort zur Diskussion“, sagte Olivier Feix.

Bereits heute sucht der Übertragungsnetzbetreiber den Dialog mit der Landesregierung, den Landräten und Bürgern in Sachsen-Anhalt. Anfang des Jahres hat die Initiative „Bürderdialog Stromnetz“ ein Regionalbüro in Magdeburg eröffnet. Regelmäßig finden im Büro von Anja Gödicke Sprechstunden statt. „Meine Aufgabe ist es, den Bau der Strom- trassen zu erklären und so den Menschen Ängste zu nehmen“, erklärt Gödicke, die studierte Umwelt-Psychologin ist. 50Hertz plant, in den kommenden Monaten unterschiedliche Formate anzubieten, um mit den Menschen in Sachsen-Anhalt ins Gespräch zu kommen.

Im Bundesland hielt sich der Widerstand gegen den Stromtrassen-Bau bislang in Grenzen. Doch vor allem Landwirte befürchten Nachteile, wenn Erdkabel unter ihren Feldern entlangführen, sagte Urban Jülich, der Vorsitzender des Landesbauernverbands im Landkreis Börde ist. Geplant ist derzeit, dass die Kabel rund 2,5 Meter tief in die Erde gelegt werden. Landwirtschaftliche Nutzung soll dennoch später möglich sein. Nur das Anpflanzen von Tief-Wurzlern sollten die Bauern vermeiden, um die Kabel nicht zu beschädigen.

50Hertz denkt aber auch weiterhin über den Bau von Freileitungen nach. Denn der Gesetzgeber lässt diese Möglichkeit offen. „Realistisch ist dies allerdings nur dort, wo bereits Strommasten stehen“, schränkte 50Hertz-Mann Olivier Feix. Mit Landräten sei darüber bereits gesprochen worden. Mit neuen Masten, die statt 55 Meter gut 70 Meter hoch sind, könnten dann auf einem Gestänge sowohl klassische Wechselstromleitungen als auch die neuen Gleichstromleitungen getragen werden. Das würde auch Kosten sparen, sagte Feix. Allerdings brauche es hierfür den konkreten Prüfauftrag von Landkreisen oder Gemeinden.

Angesicht der Erdverkabelung drohen die Ausgaben für die Stromtrasse zu explodieren. Für Freileitungen rechnete 50Hertz bisher mit Baukosten von etwa 1,3 Millionen Euro pro Kilometer. Für die erdverkabelten Leitungen werden gut sechs Millionen Euro veranschlagt – und das auch nur auf ebenem Gelände. Die Gesamtkosten des Projekts „SuedOstLink“ könnten nach Volksstimme-Informationen auf bis zu fünf Milliarden Euro steigen. Bisherige Planungen gingen von maximal 1,5 Milliarden Euro aus. Damit wird es auch für den Stromkunden teurer: Wie bisher auch werden alle Kosten für den Stromnetzausbau über Leitungsentgelte auf den Verbraucher umgelegt.