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Urteil Gauweiler nicht ganz „unzufrieden“

Nach dreieinhalbjährigem Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht Klagen gegen das Anleihenkaufprogramm der EZB zurückgewiesen.

21.06.2016, 23:01

Karlsruhe (AFP) l Das sogenannte OMT-Programm verstoße wegen begrenzender Auflagen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht gegen das Verbot der monetären Haushaltsführung in Eurokrisenstaaten, entschieden die Karlsruher Richter am Dienstag. Streitpunkt war die umstrittene Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, zur Finanzmarktberuhigung unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen.

Die deutsche Bundesbank darf sich der Entscheidung zufolge künftig am Kauf maroder Staatsanleihen beteiligen. Bundesregierung und Bundestag müssen aber beobachten, ob das Programm nicht die vom EuGH bestimmten Grenzen verlässt. (Az. 2 BvR 2728/13 u. a.)

Einer der bekanntesten Kläger, der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, sagte, er sei „nicht ganz unzufrieden“ mit dem Urteil. Unter anderem sei damit jetzt festgestellt, dass die EZB einer gerichtlichen Kontrolle durch den EuGH unterworfen sei. Kritisch äußerte sich Kläger Joachim Starbatty: „Das Bundesverfassungsgericht folgt dem politischen Urteil des Europäischen Gerichtshofs und ordnet sich unter.“

Scharfe Kritik kam von Linken-Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht. „Die unsoziale Politik der EZB, die verschuldeten Staaten Sozialabbau diktiert und Kleinsparer enteignet, kann also nicht auf juristischem Weg gestoppt werden“, erklärte sie.

Die Grünen im Bundestag forderten das Parlament auf, seine Aufsichtsfunktion wahrzunehmen. „Der Bundestag muss nun darüber beraten, wie die ihm aus Karlsruhe zugeschriebene Aufgabe angemessen erfüllt werden kann“, erklärten deren Vertreter Manuel Sarrazin und Renate Künast. Der Vizechef der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus (CDU), teilte mit, es sei gut, dass Klarheit über Grenzen des EZB-Mandats herrsche.

Mit dem Urteil zogen die Verfassungshüter den Schlussstrich unter ein dreieinhalb Jahre dauerndes Verfahren. Anlass war die umstrittene Ankündigung Draghis aus dem Jahr 2012, zur Beruhigung der Finanzmärkte unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen.

Kläger wie Gauweiler, einige Professoren sowie mehr als zehntausend Bürger sahen deshalb die Gefahr, dass mit dem Programm Haushalte überschuldeter Staaten per Notenpresse finanziert werden könnten und Deutschland dafür mithaften müsste.

Karlsruhe legte den Fall mitsamt einem Lösungspaket zunächst dem EuGH vor. Die Luxemburger Richter billigten im Juni 2015 das bis heute nicht aktivierte Programm unter einer Reihe von Auflagen. Demnach darf die EZB Anleihekäufe nicht ankündigen, das Volumen der Käufe muss begrenzt werden, und eine Mindestfrist zwischen Kauf und Verkauf der Anleihen muss eingehalten werden, um Spekulationsgeschäfte zu vermeiden.

Außerdem dürfen nur Anleihen von noch kreditwürdigen Staaten gekauft werden - und die Titel dürfen nur ausnahmsweise bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Die EZB dürfte damit derzeit keine Anleihen Griechenlands aufkaufen, weil das Land keinen Zugang zum Sekundärmarkt hat.

Dem Urteil zufolge besteht unter diesen gerichtlich zu kontrollierenden Maßgaben „kein relevantes Risiko für das Budget- recht des Bundestags“, dessen „haushaltspolitische Gesamtverantwortung“ sei derzeit nicht beeinträchtigt. Kritisch äußerten sich die Karlsruher Richter allerdings zur Entscheidung des EuGH, die EZB überschreite mit dem Programm noch nicht ihre Kompetenzen und betreibe keine unzulässige Wirtschaftspolitik.