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Verkehrsprojekt Für den Bahnchef ist Stuttgart 21 unumkehrbar

In Stuttgart wurde der Grundsteinlegung für milliardenschweres Prestigeprojekt gelegt - das seit langem umstritten ist.

Von Julia Giertz 16.09.2016, 23:01

Stuttgart (dpa) l Vor mehr als sechs Jahren schon sagte Bahnchef Rüdiger Grube: „Stuttgart 21 ist ab heute Realität.“ Im Februar 2010 bei der Feier zum Baubeginn des Milliardenvorhabens Stuttgart 21 wollten Kritiker das nicht glauben. Das ist auch heute nicht anders, obwohl das Projekt mit der Grundsteinlegung – wieder mit Grube als Hauptredner – am Freitag einen weiteren Meilenstein erreicht. Den Festakt wertete der Bahnchef als deutliches Zeichen, dass das Rad nicht mehr zurückzudrehen ist: „Zum ersten Mal stehen wir heute auf dem Fundament des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs. Der neue Durchgangsbahnhof kommt. Er ist unumkehrbar“, betonte Grube vor über 200 Gästen.

Eisenhart von Loeper vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 lässt das nicht gelten. Die Realisierung sei noch weit entfernt. „Das Projekt steht noch immer auf schwankendem Boden“, sagt er. Selbst wenn jetzt die riesige Bodenplatte für Bahnsteige und Gleise gegossen wird, halten die Gegner einen Ausstieg und einen Einstieg in eine aus ihrer Sicht verkehrlich, umweltpolitisch und finanziell günstigere Alternative noch für möglich.

Seit Grube 2010 den ersten Prellbock auf dem Gleisvorfeld symbolisch entfernte, haben sich wichtige Daten des Großvorhabens verändert: Offiziell soll der Tiefbahnhof Ende 2021 in Betrieb genommen werden, ausgeschlossen wird aber auch nicht 2023. Das wäre dann vier Jahre später als ursprünglich geplant. Auch die Kosten sind seit dem Baubeginn in die Höhe geschnellt: Die einst von Grube genannte „Sollbruchstelle“ von 4,5 Milliarden Euro ist bereits um bis zu zwei Milliarden Euro überschritten. Grube sagte beim Festakt, das Limit von bis zu 6,5 Milliarden Euro lasse sich ebenso halten wie der „ambitionierte“ Zeitplan – allerdings mit größter Anstrengung.

Wer aber die Mehrkosten trägt, ist unter den Partnern ungeklärt. Bahn und Grüne liegen deshalb im Clinch. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wiederholt mantraartig, dass das Land nicht mehr als 930 Millionen Euro beisteuert – zum Unmut der Bahn.

Von den Kritikern beauftragte Experten, dem Vernehmen nach auch der Bundesrechnungshof in einem Geheim-Bericht, gehen von einer Kostensteigerung auf zehn Milliarden Euro aus. Das wäre dann fast ein Vierfaches der ganz zu Anfang kalkulierten Baukosten. In einem unmittelbar vor der Grundsteinlegung bekannt gewordenen weiteren Prüfbericht fordern die Finanzkontrolleure eine stärkere Kosten- und Qualitätskontrolle des Bundesverkehrsministeriums ein. Das ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

Das Wohlwollen der CDU ist der Bauherrin Bahn noch heute sicher. Aber die Grünen, die bereits die zweite Legislaturperiode eine Koalition in Baden-Württemberg anführen, haben noch immer nicht ihren Frieden mit dem Projekt geschlossen. Nach dem aus ihrer Sicht enttäuschenden Ausgang der Volksabstimmung Ende 2011 zugunsten des Weiterbaus von Stuttgart 21 begleiten sie es mit der Faust in der Tasche. Die Einladung zur Grundsteinlegung sagte die Grünen-Prominenz ab, darunter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Minister Hermann.