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Lesch und Luther Dreiteilige Dokumentation: "500 Jahre Reformation" im ZDF

Ein Mönch verändert die Welt. Er bekämpft den Ablasshandel und widersteht dem Druck der Mächtigen. Ohne es zu wollen, spaltet Martin Luther aber auch die Kirche. Und erteilt den Fürsten einen Freibrief, Tausende von Bauern zu töten.

Von Andreas Heimann, dpa 14.04.2017, 05:00

Berlin (dpa) - Am Ende des Mittelalters verändert sich die Welt sowieso rapide. Aber Martin Luther hat daran seinen Anteil. Mit ihm beginnt die Spaltung der Kirche, die bis heute anhält.

Vieles an ihm kommt einem noch mittelalterlich vor, sein Glaube an den Teufel, seine Ausfälle gegen die Juden. Aber oft erscheint er auch modern, als einer, der Traditionen hinterfragt und sich seinem Gewissen, nicht kirchlichen Autoritäten verpflichtet fühlt.

Das ZDF widmet ihm die sehenswerte dreiteilige Dokumentation "Der große Anfang - 500 Jahr Reformation", 135 Minuten lang, zu sehen an Karfreitag und den Osterfeiertagen (14., 16. und 17. April, jeweils 19.30 Uhr).

Das Buch für die Doku in der Reihe "Terra X" stammt von Ingo Helm, Regie führt Andreas Sawall. Moderiert werden alle drei Folgen von Harald Lesch (56). Der Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist macht das angenehm unaufgeregt und mit erkennbarer Neugier im Umgang mit Gesprächspartnern, Historikern etwa, die regelmäßig zur Einschätzung herangezogen werden. Lesch ist selbst Protestant. "Die Gravitationswellen der Reformation sind heute noch überall spürbar", sagt er. "Und dieser Spur will ich nachgehen." Das ist kein leeres Versprechen.

Für den Sender ist der Dreiteiler der Auftakt zum ZDF-Programm rund ums Reformationsjubiläum. "Die Reformation vor 500 Jahren hat eine zentrale Bedeutung für die europäische Freiheitsgeschichte", so ZDF-Intendant Thomas Bellut. "Sie ist nicht nur als historisches Ereignis zu bewerten, ihre Impulse für den Glauben und das Leben vieler Menschen reichen bis in die Gegenwart."

In der Dokumentation machen viele Spielszenen wichtige Episoden der Reformationsgeschichte anschaulich. Vor allem aber stellt Lesch immer wieder Zusammenhänge her, die nicht selbstverständlich erscheinen: Er erklärt zum Beispiel, warum Luthers Hochzeit mit Katharina von Bora einen "Shitstorm" verursachte, in dem er wahlweise als impotent oder als geiler Bock geschmäht wurde. Oder wie der Maler Lucas Cranach in Wittenberg die Luther-Fanartikelproduktion in die Hand nimmt, wie Lesch es formuliert.

Er fährt nach Eisleben, nach Wittenberg, nach Rom, Florenz und auch nach Schwaz in Tirol. Zu Luthers Zeiten gab es dort ein Bergwerk, das größte der Welt. Bis zu 12 000 Menschen haben dort gearbeitet - unter härtesten Bedingungen. Reich gemacht hat es die Fugger, denen die Minen gehörten. Während gleichzeitig Zehntausende von Bauern hungerten - auch das gehörte zur Wirklichkeit der Reformationszeit.

"Der Funke", Teil 1 der gelungenen Dokumentation, erzählt die Frühgeschichte der Reformation. Lesch wandert ganz buchstäblich auf Luthers Spuren, der 1511 als Augustinermönch in Sandalen und Kutte die Alpen überquert, weil sein Orden ihn nach Rom schickt. Für die 1500 Kilometer von Wittenberg braucht Luther zwei Monate.

Nach seiner Rückkehr wachsen seine Zweifel an der Kirche. Ob er seine kirchenkritischen 95 Thesen 1517 wirklich an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg nagelt, ist nicht bewiesen. Sicher ist, dass Luther bei seinen Ansichten bleibt, auch beim Reichstag in Worms 1521. Dass sein Landesherr ihn in einem inszenierten Überfall entführen lassen will, hat er wohl gewusst. Die Zeit, die er danach auf der Wartburg verbringt, nutzt er für die Übersetzung der Bibel - und erfindet viele schöne Wörter wie "Sündenbock" und "Denkzettel".

Der zweite Teil "Die Explosion" widmet sich unter anderem dem Bauernkrieg, den Aufständen gegen die Fürsten. Bauern sind damals die meisten Menschen in Deutschland, viele von ihnen hungern. Luthers Schriften verstehen sie als Aufruf, sich mit ihrem Schicksal nicht abzufinden. Thomas Müntzer ruft zum Kampf auf - in Frankenhausen gibt es 1525 ein Gemetzel, Müntzer wird hingerichtet. Dabei ist Gerechtigkeit auf Erden nicht das Thema Martin Luthers - er will keinen Umsturz und rechtfertigt die Gewalt der Fürsten.

Teil drei "Das Feuer" zeigt ebenfalls die blutigen Seiten der Reformation: Die radikalen Täufer, die "Taliban des 16. Jahrhunderts", vertreiben in Münster den Bürgermeister, sie lehnen Privateigentum ab und sind für Polygamie. Und sie werden schließlich brutal verfolgt. Gleichzeitig gehen unter den Anhängern der Reformation die Ansichten immer deutlicher auseinander: Ulrich Zwingli und Johannes Calvin werden zu Gegenspielern Luthers.

Der Reformator selbst wird in späten Jahren immer gnadenloser in seinen Ansichten: Er ist dafür, Hexen zu verbrennen und Synagogen anzuzünden. "Luther und die Juden, das ist ein bedrückendes Kapitel", sagt Harald Lesch. Als Luther 1546 stirbt, ist der Reformator 62 Jahre alt. Und hätte sich wohl nie vorstellen können, dass die Kirche 500 Jahre später noch gespalten ist. Harald Lesch erinnert am Schluss an etwas, dass aus Luthers Sicht genauso unvorstellbar war: Dass mal ein Papst aus Argentinien dazu aufrufen würde, seine Schriften zu lesen.

Der große Anfang

ZDF zum Reformationsjubiläum