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Facettenreicher Star Michael Degen wird 85

Fernsehzuschauer lieben Michael Degen als eitlen Vice-Questore Patta in den "Donna Leon"-Krimis. Er hat 300 Mal den Hamlet gespielt und sogar den Führer des "Dritten Reiches", das ihn einst verfolgte. Nun wird Degen 85 Jahre alt - und hört noch lange nicht auf.

Von Ulrike Cordes, dpa 30.01.2017, 22:59
Michael Degen wird 85. Foto: Hendrik Schmidt
Michael Degen wird 85. Foto: Hendrik Schmidt dpa-Zentralbild

Hamburg (dpa) - "Gut", antwortet Michael Degen kurz und bündig auf die Frage, wie es ihm gesundheitlich geht. Dann gewährt der Schauspieler einen Einblick in seinen Terminkalender.

Anfang Februar stehen Arbeiten in Israel für "Der Tel Aviv Krimi" an. Abgedreht hat er - als eitler Vice-Questore Patta - zwei neue "Donna Leon"-Folgen für die ARD. "Im September werden wohl zwei weitere Folgen aufgenommen - doch das weiß man so weit im Voraus nie genau", erklärt der Star, der am Dienstag 85 Jahre alt wird, am Telefon.

Auf einen Termin im TV oder Kino wartet noch Florian Frerichs' Film "Das letzte Mahl". Darin spielt Degen einen jüdischen Familienvater im Jahr 1933. Und dann gibt es da ein weiteres Buch, das der Mann, der sich im Laufe seiner langen Karriere auch als Bestsellerautor ("Nicht alle waren Mörder", "Der traurige Prinz") einen Namen gemacht hat, im April in Angriff nehmen möchte.

Seinen 85. Geburtstag will der Künstler mit seiner dritten Ehefrau Susanne Sturm im Stillen feiern. "Bei einem guten Essen in einem der vorzüglichen Landgasthöfe unserer Umgebung", sagt Degen, der längst bei Hamburg zu Hause ist. Feinschmecker sei er nämlich auch, fügt er hinzu.

Besonderer Anlass zur Rückschau sei sein Geburtstag für ihn nicht. "Im Grunde genommen habe ich alles gesagt über mich." Dass es in seinem Leben nicht immer so komfortabel zugegangen ist wie heute, wissen viele. In seiner 2006 für das Erste verfilmten Autobiografie "Nicht alle waren Mörder. Eine Kindheit in Berlin" hat der 1932 in Chemnitz Geborene geschildert, wie er als Kind jüdischer Eltern die Nazizeit überlebte - mit der Hilfe mutiger Zeitgenossen, die ihn und seine Mutter mehr als drei Jahre lang versteckt hielten. Sein Vater starb 1940 an den Folgen seiner KZ-Haft in Sachsenhausen.

Als 17-Jähriger emigrierte Degen nach Ausbildung und erstem Engagement am Deutschen Theater Berlin 1949 nach Israel. Um zwei Jahre später zurückzukehren - der Sehnsucht wegen, wieder in seiner Muttersprache auf einer Bühne zu stehen. Degen hat fast alles gespielt: Ob Shakespeares Hamlet 300 Mal, Molière und Brecht - in Berlin, Salzburg, Wien, München, Hamburg, unter Regiestars wie Peter Zadek ("Ghetto") und George Tabori ("Kannibalen"). Degen, der deutscher und israelischer Staatsbürger ist, ist längst einer der angesehensten Schauspieler Deutschlands.

Einem breiten TV-Publikum wurde er 1979 als Bendix Grünlich in Franz Peter Wirths "Die Buddenbrooks" bekannt. Mit der NS-Vergangenheit setzte sich Degen in Egon Monks "Die Geschwister Oppermann" (1983) und Michael Kehlmanns "Geheime Reichssache" (1987) auseinander. In jenem Zweiteiler gab er sogar Hitler selbst. Doch Degen trat auch in Zuschauerhits auf - von "Diese Drombuschs" über "Derrick" und "Klinik unter Palmen" bis zu "Rosamunde Pilcher".

Sein Leben hat er nicht als außergewöhnlich empfunden. "Alles ist mir eben widerfahren. Dass ich ein Verfolgter war, ist mir zum Beispiel erst viel später richtig bewusst geworden - als ich mit 67 Jahren anfing, meine Autobiografie zu schreiben", erinnert er sich. "Als Kind findet man sich damit ab wie mit einem Abenteuer."

Heute könne er aus seinen Erfahrungen auch Kraft schöpfen. Sie hätten einen politischen, wenngleich sehr pessimistischen Menschen aus ihm gemacht. Auch Kunst sollte politisch Stellung beziehen, sagt Degen, der seine Kollegin Meryl Streep für ihre kritischen Worte bei der jüngsten Golden-Globe-Verleihung bewundert.

Ihn scheint das "Dritte Reich" gerade im Alter in den Klauen zu halten. So hat er kürzlich für "Das kleine Fernsehspiel" des ZDF in "Winterjagd" noch einmal einen Nazi gespielt - einen 90-Jährigen, der sich gezwungenermaßen mit seinen Untaten in Auschwitz auseinanderzusetzen hat.

"Das hat mir furchtbar zugesetzt", sagt der Künstler über den noch nicht gesendeten Psychothriller, "ich bin nicht als Schauspieler da gewesen, sondern habe mich in diesen Mann hineinversetzt". Abends habe ihn seine Tochter Elisabeth Degen, die auch seine Filmtochter war, wieder aufgefangen. Und sein neues Buch? "Es könnte ein Roman werden", orakelt Degen. Lachend verrät er noch: "Im Großen und Ganzen geht es um einen Schnurrbart - einen sehr bekannten Schnurrbart."