Kleists Tod am Wannsee Amour Fou

Geschichte ist meist etwas für Dokus - oder für einen mehr oder weniger gelungenen fiktionalen Mehrteiler. Manchmal gibt es aber auch eine kleine Film-Perle, so wie jetzt auf Arte.

Von Klaus Braeuer, dpa 23.05.2017, 23:01

Berlin (dpa) - Heinrich von Kleist war ein bedeutender Schriftsteller ("Die Marquise von O.", "Michael Kohlhaas"). Am 21. November 1811 erschoss der 34-Jährige erst seine Freundin und dann sich selbst, am Kleinen Wannsee in Berlin.

Das ist der Hintergrund zum Film "Amour Fou", der an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) auf Arte zu sehen ist.

"Würden Sie mit mir sterben wollen?", fragt Heinrich von Kleist (Christian Friedel) seine Cousine Marie (Sandra Hüller), die jedoch ebenso bestimmt wie höflich ablehnt. So sucht der Erzähler und Dramatiker nach einer anderen Seelenverwandten und glaubt, sie in der als todkrank geltenden und recht brav anmutenden Henriette Vogel (Birte Schnöink) zu finden, die glücklos mit Friedrich Louis Vogel (Stephan Grossmann) verheiratet ist.

Mit ihrem ausdrücklichen Einverständnis erschießt er sie schließlich, anschließend sich selbst. Da ein Suizid in jener Zeit gesellschaftlich und kirchlich geächtet ist, kommt eine Beerdigung auf einem Friedhof nicht in Betracht, und so werden beide direkt am Seeufer bestattet. Dort findet sich heute ein mittlerweile restauriertes Ehrengrab.

Kleist schreibt am Tage seines Todes an seine Schwester Ulrike: "Ich kann nicht sterben, ohne mich, zufrieden und heiter, wie ich bin, mit der ganzen Welt, und somit auch, vor allen Anderen, meine theuerste Ulrike, mit Dir versöhnt zu haben. Laß sie mich, die strenge Äußerung, die in dem Briefe an die Kleisten enthalten ist, laß sie mich zurücknehmen; wirklich, Du hast an mir gethan, ich sage nicht, was in Kräften einer Schwester, sondern in Kräften eines Menschen stand, um mich zu retten: die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war."

Das sind starke Worte, und die Regisseurin Jessica Hausner ("Lourdes") findet für diese Tragödie mit wahrem Hintergrund sehr kunstvolle und kühle Bilder. Stellenweise wirken sie schon fast wie historische Gemälde - vor allem dann, wenn Blumen und Hunde ins komponierte Bild geraten. Es ist ja immer schwierig, wahre Geschichten für den Zuschauer nachvollziehbar zu erzählen - erst recht dann, wenn sie bereits sehr lange zurückliegen.

Hier gelingt es auch deshalb, weil Hausner die Schauspieler so sprechen lässt, wie man vor 200 Jahren eben gesprochen hat - was ebenso stimmig wirkt wie die schöne, fast zeitgenössische Ausstattung mit Tapetentüren, tiefroten Vorhängen und mit Porzellan gedeckten Tischen. Es wird gesungen und eifrig diskutiert ("Aber nicht doch, mein Täubchen!"). Die Sprache mag zwar altmodisch wirken, ist aber stark an die Briefwechsel des Herrn von Kleist angelehnt.

Von einer plumpen Nacherzählung kann allerdings keine Rede sein. Der Filmtitel "Amour Fou" ("Verrückte Liebe") verwirrt allerdings, denn das war sie ganz sicher nicht, höchstens unkonventionell, in jedem Fall aber wohl unromantisch. Diese beiden traurigen Hauptfiguren, der lebensmüde und egozentrische Dichter und die unglückliche und starrköpfige Frau Vogel, liebten vermutlich noch nicht einmal sich selbst. Ob der Tod für sie die ersehnte Erlösung war, weiß man nicht.

Amour Fou auf Arte