1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. TV & Streaming
  6. >
  7. Angela Merkel: Die Unerwartete

EIL

TV-Tipp Angela Merkel: Die Unerwartete

Gerade hat sie angekündigt, dass sie noch einmal Kanzlerin werden will. Jetzt gibt es eine neue Fernsehdoku über Angela Merkel. Ist sie wirklich "Die Unerwartete"?

Von Caroline Bock, dpa 05.12.2016, 23:01

Berlin (dpa) - Ein Konferenzraum voller Leute, die die Messer wetzen. Angela Merkel betritt den Raum und sagt, ihr gefalle die Sitzordnung nicht. Die Leute setzen sich um. Schon ist eine ganz andere Chemie da. "Das war wie so ein Zaubertrick", erinnert sich der Journalist Alexander Osang. Eine Episode aus den 90er Jahren, erzählt in einem neuen Fernsehfilm über Merkel, der Kinolänge hat.

Früher war Deutschlands erste Kanzlerin ein Politik-Azubi in der Bonner Republik, besonders von Männern chronisch unterschätzt als "Zonentussi" und "Kohls Mädchen". Der Fernsehmoderator Günter Gaus fragte Merkel, damals 37: "Geht das nicht alles ein bisschen schnell für Sie?" Norbert Blüm fand es seltsam, dass sich die neue CDU-Ministerin bei einem Mittagessen vorstellen wollte. So einen Anstand kannte er gar nicht. Bonn ist Geschichte, Merkel nicht.

Nach dem Mauerfall ist aus der Wissenschaftlerin aus der DDR, aufgewachsen in einem Pastorenhaushalt in Brandenburg, die mächtigste Frau der Welt geworden. Ihre Rivalen in der CDU, die "Versammlung von Alphamännchen" (Peter Hintze), hat die Chefin schon vor Jahren beiseite geräumt.

Angela Merkel und die Macht? "Aber Hallo!", sagt die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. "Im Zentrum der Macht überlebt man nicht allzu lange, wenn man nur die freundliche Hausfrau ist", sagt der britische Historiker Timothy Garton Ash.

Merkel (62) ist "Die Unerwartete". So lautet der Titel der über drei Jahre gedrehten, 90 Minuten langen Doku von Torsten Körner und Matthias Schmidt. Sie wird erstmals am Dienstag (6. Dezember, 20.15 Uhr) auf Arte ausgestrahlt. Der Film zeigt: Ganz so unerwartet, wie Merkels Weg nach außen scheint, ist er nicht gewesen. Das sagt sie im Film auch selbst, als sie den Autoren ein Interview gibt.

Merkel denkt lange nach. So wie vor ihrer gerade verkündeten Entscheidung, 2017 zum vierten Mal als Kanzlerin anzutreten. Das kommt im Film noch nicht vor. Sonst beleuchtet er viele Winkel. Etwa ihren CDU-Durchbruch nach der Spendenaffäre 1999/2000 und ihren Satz fürs Geschichtsbuch aus der Flüchtlingskrise 2015: "Wir schaffen das".

Der Film ist interessant, auch weil er nicht streng chronologisch erzählt ist. Er lebt von Fundstücken aus den Archiven - etwa Merkel in einer Sendung des Quizmasters Wim Thoelke - und von den Interviews mit Weggefährten, Gegnern und Merkel-Erklärern. Zu Wort kommen beispielsweise Edmund Stoiber, Peer Steinbrück, Guido Westerwelle, Sahra Wagenknecht und der Journalist Heribert Prantl.

Ex-Minister Franz Müntefering sagt: "Wenn Merkel am Steuer ist im Flugzeug, dann musst du keine Angst haben, du stürzt nicht ab. Du wirst immer sicher landen, du weißt nur nicht wo." Merkels Klassenlehrer lobt seine ehemalige Schülerin noch heute, aber er wählt sie trotzdem nicht.

Wie es weiter geht? Amtsmüde wirke Merkel nicht, findet der Film und fragt: "Hat jemand bessere Rezepte?" Der Historiker Timothy Garton Ash ist skeptisch. Für ihn ist es fast ein Naturgesetz, dass Politiker an der Macht nach zehn Jahren anfangen, Fehler zu machen.

Arte zu Die Unerwartete