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TV-Tipp Ein Mann unter Verdacht

Eine Frau verschwindet spurlos, ihr Mann wird verdächtigt, sie umgebracht zu haben. Doch eine Leiche taucht nie auf: eine spannende Story für einen Fernseh-Thriller.

Von Klaus Braeuer, dpa 23.10.2016, 23:01
Mark Waschke wechselt die Seiten und spielt einen Verdächtigen. Foto: Britta Pedersen
Mark Waschke wechselt die Seiten und spielt einen Verdächtigen. Foto: Britta Pedersen dpa-Zentralbild

Berlin (dpa) - Üblicherweise geschieht zu Beginn eines TV-Krimis ein Mord, dann beginnt die Suche nach dem Täter. Doch es geht auch anders: Im ZDF-Thriller Ein Mann unter Verdacht taucht im ganzen Film keine Leiche auf. Zu sehen ist er am Montag (20.15 Uhr).

Ein Mann läuft allein durch einen Wald, während eine blonde Frau vor Gericht einen Prozess gewinnt. Am warmen Spätsommerabend dieses Tages treffen sich die beiden im Haus des Mannes: Es gehört dem Architekten Thomas Altmann (Mark Waschke), die Frau ist die Anwältin Lavinia Bertok (Petra Schmidt-Schaller). Gemeinsam mit Freunden feiern sie den 40. Geburtstag von Thomas' Frau Anja (Deborah Kaufmann), doch die Party endet mit einem Streit der beiden Eheleute.

Zwei Tage später ist Anja spurlos verschwunden, und sofort nimmt Kommissar Andreas Roth (Peter Kurth) die Ermittlungen auf - den Verdacht der Entführung oder gar des Mordes erhebt Anjas Vater (Hanns Zischler). Er nimmt kurzerhand seinen Enkel Anton (Aljosha Lange) zu sich. Anjas Wagen wird verlassen am Flughafen gefunden, in der Küche ist Blut von ihr, und Thomas' Wagen wird beschlagnahmt - er war kurz zuvor innen gründlich gereinigt worden.

Der Regisseur Thomas Stuber (Herbert) und der Autor Stefan Kolditz (Der letzte Kronzeuge) haben die fesselnde und wendungsreiche Geschichte fantasievoll in Szene gesetzt - man weiß als Zuschauer bis kurz vor Schluss überhaupt nicht, wer welche Ziele verfolgt, wer hier gegen wen ist. Selbst die Rolle der Kripobeamten ist zwielichtig: Sie scheinen mit Anjas Vater unter einer Decke zu stecken. Sie verhören Altmann allein im Wald und erzählen ihre Variante der Geschichte, in der er der Mörder in einem nahezu perfekten Verbrechens ist.

Es könnten aber auch die beiden Frauen, also Anja und Lavinia, alles inszeniert haben. Selbst Lavinia, die Thomas Altmann als befreundete Anwältin zur Seite steht, spielt also eine zwielichtige Rolle. Die meisten Szenen sind in düsteren Tönen gehalten, die Musik (Bert Wrede) ist nie aufdringlich, die Kulissen sind kühl - vor allem das Haus der Familie Altmann wirkt sehr kalt.

Mark Waschke (44), der im Dezember wieder im Berliner Tatort ermittelt, spielt den Verdächtigen als einen Getriebenen, der immer weniger zu begreifen scheint, was mit ihm geschieht - bis er vor den Augen seiner Angestellten verhaftet wird. Wie verkraftet er das Verschwinden seiner Frau? Das verrät er niemandem. Er versucht zu überleben, sagte der Schauspieler.

Spannend ist es auf jeden Fall. Gab es nun einen Mord? Eine Leiche wird nicht gefunden, Zeugen gibt es keine, nur vage Spuren - liegt also ein perfektes Verbrechen vor? Die ständige Ungewissheit nagt nicht nur an der Hauptfigur, die Mark Waschke glaubhaft darstellt. Im Grunde müsste er ständig explodieren, gibt sich aber als beherrschter Unschuldsengel. Petra Schmidt-Schaller überzeugt als kalte Frau, die - nicht nur in diesem Indizienprozess - der Suche nach Gerechtigkeit verpflichtet ist und scheinbar keine Emotionen hat.

Ob die ganze Geschichte rund um das Thema Vertrauen - bis hin zum fast ausgehandelten Haft-Deal zwischen Anwältin und Staatsanwalt an der Bar - glaubhaft ist, sei dahingestellt. Im Schlussbild steht still der Wald und schweiget.

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