Nacht der Angst

Der Beruf der Hebamme wird von vielen werdenden Müttern geschätzt. Doch die meisten Geburtshelferinnen kämpfen ums Überleben.

Von Klaus Braeuer, dpa 29.11.2015, 23:01

Berlin (dpa) - Fernsehfilme sollen unterhaltsam sein - die meisten hierzulande sind es sogar. Einige sind obendrein noch spannend, was nicht nur für Krimis gilt.

Wenn dann noch ein aktuelles gesellschaftliches Thema geschickt darin verpackt wird - umso besser. In dem Film Nacht der Angst, der am Montag (20.15 Uhr im ZDF) zu sehen ist, geht es um den schützenswerten Beruf der Hebamme und auch darum, dass viele Schwangere nicht im Krankenhaus entbinden möchten.

Die erfahrene Hebamme Emma (Nina Kunzendorf) steht vor Gericht. Ihr wird vorgeworfen, ihre Fähigkeiten bei einer Geburt überschätzt zu haben und somit für die Behinderung eines Kindes verantwortlich zu sein - weil sie sich über das Verbot von außerklinischen Zwillingsgeburten hinweggesetzt hat. Der Klägerin war dieses Verbot durchaus bekannt: Sesha (Friederike Becht) hatte bereits ein Kind bei Emma im Geburtshaus entbunden, und seitdem sind die beiden Frauen befreundet.

Doch nun klagt Sesha gegen Emma, oder genauer: Ihr Ehemann Peter (Marcus Mittermeier) und dessen Mutter Doris (Eleonore Weisgerber) tun es, während Sesha die Aussage verweigert. Wegen der stark gestiegenen Haftpflichtversicherung für frei arbeitende Hebammen ist Emma nicht versichert und muss befürchten, dass eine Verurteilung ihre Existenz vernichten wird.

Genau das ist der Hintergrund des Filmes: Hebammen kämpfen zunehmend nicht nur um das Leben der Kinder, sondern auch um ihr eigenes. Freie Hebammen betreuen Schwangere schon Monate vorher und können auch Hausgeburten durchführen - nur eben nicht bei Zwillingen. Bundesweit arbeiten derzeit rund 21 000 Hebammen, frei oder an einer Klinik. Es ist ein Frauenberuf, es gibt lediglich ein halbes Dutzend männliche Kollegen (Entbindungspfleger genannt).

Das Einstiegsgehalt an einer Klinik beträgt 1300 bis 1900 € brutto, Freiberufliche werden nach Geburt bezahlt. Die Haftpflicht beläuft sich derzeit auf 6270 € im Jahr - bei einem Jahreseinkommen von ca. 20.000 € sind die Kosten natürlich kaum zu decken, auch wenn es Ausgleichszahlungen für Prämiensteigerungen gibt. Im Juli 2016 läuft die Gruppenhaftpflichtversicherung des Deutschen Hebammenverbundes aus, und infolgedessen wird es bald kaum noch Anbieter geben, bei denen sich Hebammen versichern können.

Nina Kunzendorf (44) war in fünf Fällen als Kommissarin Conny Mey im Tatort aus Frankfurt zu sehen, ihr Film Meine Schwestern lief erst kürzlich bei Arte, ihr neuer Zweiteiler Das Programm kommt am 4. Januar im Ersten. Was mir im Vorfeld nicht bewusst war: Ein Arzt darf eine Geburt ohne Hebamme nicht durchführen, eine Hebamme ohne Arzt aber sehr wohl, sagte Kunzendorf im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Allein schon daraus kann man ersehen, wie unglaublich wichtig dieser Beruf ist, den es ja schon so lange gibt. Das ganze aktuelle Geschehen ist tragisch und skandalös und wird noch ungeahnte Folgen haben.

Vielen Hebammen droht das berufliche Aus. Man merkt Kunzendorf an, wie wichtig ihr diese Rolle ist, die sie sehr zurückgenommen und konzentriert spielt - wobei dennoch klar wird, dass es in Emma brodelt. Sie versteht ihre Freundin nicht mehr, und sie versteht nicht, warum man ihr so viele böse Gemeinheiten unterstellt, wo sie doch nur ihrem Beruf (sie hat schon 600 Babys auf die Welt geholfen) nachgehen wollte.

Regisseurin Gabriela Zerhau hat auch das kluge Drehbuch geschrieben, und sie beschreibt anhand einer geschickt montierten Dramaturgie mit vielen Rückblenden einen spannenden Gerichtsprozess, der sich um ein ebenso emotionales wie relevantes gesellschaftliches Thema dreht. Eine Doku im Anschluss des Films wäre für den Zuschauer ganz hilfreich gewesen - doch auch so wird Nacht der Angst (der Titel ist etwas zu reißerisch) sicher für wichtige Diskussionen sorgen.

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