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Ritterblut - Verliebt in einen Knacki

Es ist eine Liebe unter schwierigen Bedingungen, eine, der viele wohl kaum eine Chance geben würden. Sie beginnt, als Rudi noch im Knast sitzt. Und Marion einsam zu Hause.

Von Andreas Heimann, dpa 30.08.2016, 23:01

Berlin (dpa) - Es klingt ein bisschen seltsam, ist aber ernst gemeint: Lieber Gott, ich wünsche mir, dass du mir dieses Jahr einen passenden Mann schickst, sagt Marion, einen, der noch Ritterblut in sich trägt, einen, der mit mir alt werden möchte.

Marion ist Krankenschwester, 48, geschieden und einsam. Über eine Kontaktanzeige erfährt sie von Rudi, der genauso alt ist wie sie, genauso einsam und 23 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht hat. Er sitzt in der JVA Bruchsal ein.

Marion schreibt ihm. Rudi schreibt lange Briefe zurück. Daraus entwickelt sich eine Beziehung, die von Anfang an schwierig ist. Sigrid Faltin hat einen Dokumentarfilm für den Südwestrundfunk (SWR) darüber gemacht, einen sehr einfühlsamen und eindrucksvollen. Er hat den Titel Ritterblut - Verliebt in einen Knacki und erstaunt nicht zuletzt durch die Offenheit der beiden Hauptpersonen, um deren Leben und Liebe es geht. Am Mittwoch, 31. August, ist er im Ersten zu sehen (22.45 Uhr).

Sigrid Faltin nimmt sich viel Zeit. Rund anderthalb Jahre lang begleitet sie das ungewöhnliche Paar. Die Dokumentation ist 90 Minuten lang, keine Selbstverständlichkeit im deutschen Fernsehen. Man sieht Marion und Rudi in vielen Momenten zu, die etwas sehr Persönliches haben. Bei Rudis erstem Wochenende als Freigänger zum Beispiel. Er packt seine Tasche und zieht die Lederjacke über. Und freut sich. Ist das nicht geil? Das ganze Wochenende für uns. Sie bummeln über den Weihnachtsmarkt, gehen zusammen was essen. Aber die gemeinsame Zeit ist schnell wieder vorbei. Marion weint, als sie Rudi an der Gefängnistür verabschiedet. Ich hab' dich lieb, ruft er ihr nach.

Rudi hofft, bald aus der Haft entlassen zu werden, wartet ungeduldig auf den Anhörungstermin vor Gericht, angespannt und gereizt. Ich bin so angepisst, sagt er. Nach einem Streit mit Marion trinkt er neun Flaschen Bier. Dann entscheidet das Landgericht Karlsruhe: Seine Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Rudi bekommt 310,15 Euro Entlassungsgeld und darf in die Freiheit. Tschüss zusammen!, sagt er, als er durch die Gefängnistür geht. Marion kommen wieder die Tränen. Warum flennst du jetzt?, fragt er.

Der Alltag ist schwieriger als erwartet. Er kann das Lottospielen nicht lassen, sie hält das für Geldverschwendung. Er raucht weiter, dabei hatte er angekündigt, es für Marion aufzugeben. Und er trinkt auch mehr, als gut ist. Nach vier Wochen in Freiheit fühlt er sich verloren und fremd im hohen Norden, wo er jetzt mit Marion wohnt. Es gab einen Vorfall, erzählt sie. Da war er richtig reell betrunken. Und eine andere Frau nach ihrer Telefonnummer gefragt hat er auch. Wenn das nochmal passieren sollte, dann darf er gehen, sagt Marion wütend.

Drei Monate nach der Entlassung hat Rudi einen Job gefunden, steht jeden Morgen um halb fünf auf. Marion macht sich Sorgen, was ihre Eltern denken, wenn sie von Rudis Vergangenheit erfahren. Und auch sonst gibt es Ärger: Er hat einen Haufen Geld in der Spielhalle verzockt, er zahlt die Miete nicht. Ich bin so doof, klagt er sich an. Sieben Monate nach der Entlassung verspielt er immer noch Geld und trinkt und hat Marion beklaut. Im Normalfall hätte ich mich schon getrennt, sagt sie. Aber was ist schon der Normalfall?

Ihre Gefühle bleiben ambivalent, es ist ein Hin und Her, aber ihre Zuversicht überwiegt: Ich habe so eine Form von Liebe noch nie erfahren, sagt sie. Er hat bestimmt einige Tropfen Ritterblut in sich. Ein Jahr nach der Entlassung sind die beiden noch immer zusammen. Der ein oder andere Zuschauer wird überrascht davon sein, die meisten drücken Marion und Rudi sicher die Daumen für die Zukunft. Wir danken beiden für ihr Vertrauen, steht im Abspann. Und das steht da sehr zu Recht. Ohne das wäre dieser eindrucksvolle Film gar nicht möglich gewesen.

"Ritterblut - Verliebt in einen Knacki"