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Weinberg

Serien sind gerade das große heiße Ding im Fernsehen. Und angeblich tun sich vor allem die Deutschen schwer, mit internationaler Ware à la Breaking Bad oder Game of Thrones mitzuhalten. Jetzt probiert es der Pay-TV-Sender TNT Serie mit einer Geschichte aus der Provinz.

Von Jonas-Erik Schmidt, dpa 05.10.2015, 23:01

Köln (dpa) - Weindörfer präsentieren sich gern als Hort urdeutscher Romantik: Pausbäckige Winzer, holzvertäfelte Gaststube, lachende Wandersleute. Von diesem Idyll ist in Weinberg nur noch die Kulisse übrig geblieben.

Das Dörfchen Kaltenzell liegt in der TV-Serie zwar wie für ein Tourismus-Prospekt drapiert zwischen steilen Weinbergen, und im Tal plätschert die Ahr. Dennoch stellt sich beim Zuschauen kein Gefühl der Behaglichkeit ein. Eher der Beklemmung. Und das liegt nicht nur an dem Blut, das aus einer Leiche auf dem Weinberg tropft.

Der Pay-TV-Sender TNT Serie, der unter anderem über den Abo-Anbieter Sky zu empfangen ist, hat sich an ein ambitioniertes Projekt gewagt. Momentan reden ja alle über die Kunstform TV-Serie. Wenn sich auf Partys, im Büro oder am Küchentisch das Gespräch um Breaking Bad oder Game of Thrones dreht, darf in der Regel eine Binsenweisheit nicht fehlen: Die Deutschen, die können das nicht.

Ob das stimmt, sei dahin gestellt. Die von TNT eigenproduzierte und unter anderem im beschaulichen Mayschoß an der Ahr abgedrehte Serie bewegt sich in ihrer ganzen Inszenierung jedenfalls auf die internationalen Vorbilder zu. Und schafft das Kunststück, dabei sehr deutsch zu bleiben.

Die Hauptrolle spielt Friedrich Mücke (34), aufstrebender Repräsentant der jungen Schauspielerriege im Land. Er erwacht an einem Herbsttag zwischen Rebstöcken. Von oben tropft Blut auf ihn, tiefrot wie ein kräftiger Spätburgunder. Er sieht die Leiche einer jungen Frau mit Krone - der Krone einer Weinkönigin, wie er erst später herausfindet. Wie er in den Weinberg gelangt ist, weiß Der Held (so der Rollenname) aber nicht mehr. Sein Gedächtnis ist weg.

Unten im Dorf wimmelt es vor dubiosen Gestalten. Das sind: ein intriganter Gastwirt (Arved Birnbaum), der in Personalunion auch Bürgermeister ist, ein etwas arg frömmelnder Ladenbesitzer (Arnd Klawitter) mit selbstbepinselten Heiligenfiguren und ein in sich gekehrter Junge (Jonah Rausch). Nur der Psychologin, gespielt von Gudrun Landgrebe (65), scheint der Held ohne Namen vertrauen zu können. Und über allem wabert in Kaltenzell ein wohl endloser Nebel.

Weinberg wirft all die Zutaten aus der deutschen Weinbau-Biederkeit in einen Mixer und macht daraus einen Albtraum. In Kaltenzell ist irgendwie alles aus der Zeit gefallen. Menschen telefonieren noch mit grünen Schnur-Telefonen und tragen Krawatten, die schon in den 80ern nicht mehr modisch waren. All das wirkt aber nicht vertraut, sondern beängstigend. Denn dahinter scheint kalte Brutalität zu lauern.

Der Sender nennt Weinberg eine Drama-Serie im Stile eines Psycho-Thrillers. Einige Beobachter wollen bereits Parallelen zu David Lynchs Kult-Mystery-Serie Twin Peaks erkannt haben, die in einem Holzfällerstädtchen im amerikanischen Nordwesten spielte. Ganz so weit ist noch nicht. Dafür ist Weinberg hier und da noch etwas zu sehr auf den Effekt hin erzählt. Hart oder weich? fragt die attraktive Wirtin lasziv den Helden. Und meint natürlich nicht ihn, sondern sein Frühstücksei.

Unterm Strich ragt Weinberg aber aus der deutschen Serien-Landschaft heraus. Auch wenn der Spätburgunder danach nicht mehr so schmeckt wie vorher.

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