Youth

Wahnwitziger könnte die Idee kaum sein: Um ihre Familie vor der Obdachlosigkeit zu bewahren, entführen zwei junge Männer eine Jugendliche und wollen deren Eltern erpressen. So grotesk das Regiedebüt im Ersten anmutet, so dramatisch ist die Geschichte.

Von Marco Krefting, dpa 25.07.2016, 23:01

München (dpa) - Sie pinkeln zusammen ins Klo, teilen sich denselben Freundeskreis und das Schlafzimmer. Sie haben beide leichte Segelohren und blicken mit stets dezent geöffnetem Mund etwas abwesend drein. Nur der stoppelige Bartwuchs unterscheidet Yaki (David Cunio) von seinem Bruder Shaul (Eitan Cunio).

Was erstmal vertraut und idyllisch wirkt, wird durch Geldprobleme der Eltern getrübt. Und durch ein waghalsiges Vorhaben, mit dem die beiden jungen israelischen Männer ihre Familie vor dem Rauswurf aus der Wohnung bewahren wollen: Sie entführen ein Mädchen. Das Erste zeigt das Drama Youth am Dienstag (23.00 Uhr).

Der Zuschauer wird etwas unvermittelt ins Geschehen gezerrt: Yaki ist gerade erst zur Armee eingezogen worden und nun auf Heimaturlaub. Der Entführungsplan der Brüder steht bereits - das wird aber eher indirekt und mit der Zeit klar. So vergehen nur ein paar Minuten, bis die Jugendliche gefesselt, geknebelt und weinend auf einer ranzigen Matratze im gut verrammelten Bombenkeller eines Mietshauses liegt.

Doch der Plan hat Haken und wird mehrfach torpediert: Shaul plappert den Namen seines Bruders aus. Als das Duo seine Lösegeldforderung durchgeben will, nehmen die Eltern des Entführungsopfers den Anruf nicht an - weil sie religiös sind und Juden am Sabbat nicht telefonieren sollen. Und als die jungen Männer wenigstens mit der Geldkarte des Mädchens Bares abheben wollen, verzweifeln sie am Limit des Jugendkontos von umgerechnet nicht einmal 100 Euro.

Youth ist einer von zwei israelischen Beiträgen in der aktuellen Reihe von FilmDebüt im Ersten. Wie Ende Juni Nachwuchs-Regisseurin Ester Amrami (Anderswo) zeigt dieses Mal Tom Shoval (Jahrgang 1981) Eindrücke aus dem Leben, den Problemen junger Erwachsener in Israel. Die Brüder werden gespielt von den Zwillingen Eitan und David Cunio, die für die Dreharbeiten vom Militärdienst freigestellt wurden.

Der Film ist insbesondere für mich eine emotionale Reise. Ich habe mir mein eigenes Leben angeschaut und anschließend meiner Fantasie freien Lauf gelassen, sagt Regisseur und Autor Shoval. Die Herausforderung des Films bestand darin die Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit von Heranwachsenden zu thematisieren und parallel dazu die Fähigkeit zu lieben und Träumen zu folgen.

Wie bei Amrami, die den Zwiespalt einer Israelin in Deutschland thematisierte, hat auch Shovals Film autobiografische Züge: Meinen Bruder und mich verbinden eine enge Beziehung und eine starke Ähnlichkeit. Er habe einen Film machen wollen über die Dinge, die mich geprägt haben, als ich so alt war wie Yaki und Shaul. Und das deutsche Publikum bekommt Einblicke in eine fremde Welt: So ist es in Isreal kein Thema, gut sichtbar eine Waffe mit sich zu tragen.

Im Gegenteil: Sie steigert das Ansehen, verleiht Macht. Auch das wird in dem Film deutlich. Als die Brüder mit der Entführten für ein Foto posieren, steht Shaul auf den Beinen der Jugendlichen, Yaki richtet das Gewehr auf ihren Kopf. Sie sieht nicht so aus, als ob sie leidet, sagt der Soldat abgeklärt beim Kontrollblick. Du musst ihr das Kleid aufreißen. Wenn sich das Mädchen wehrt, mit den Männern rangelt, wackelt die Kamera - für den Zuschauer gut nachzuempfinden.

Umso stärker ist der Kontrast zu den Szenen einige Stockwerke über dem Keller mit der Familie: Die Mutter rackert sich mit Aushilfsjobs ab und kämpft um das finanzielle Überleben. Sie lädt Verwandte zum Fest, weil der Sohn auf Heimaturlaub ist. Vorher setzt der Vater noch rasch den Rasierer zum Haarschnitt an: Du sollst doch hübsch sein.

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