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Erstmals seit 25 Jahren Köln bejubelt "Europapokaaal" - "Neuer Feiertag im Kalender"

Der 1. FC Köln hat erstmals seit 25 Jahren den Europapokal erreicht. Und das ohne Umwege. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung in der Domstadt.

Von Holger Schmidt, dpa 21.05.2017, 10:03

Köln (dpa) - An diesem Tag für die Vereinshistorie war nahezu alles erlaubt. "Das ist einer neuer Feiertag für den Kölner Kalender: Weihnachten, Geburtstag und Silvester auf einmal", sagte Matthias Lehmann, Kapitän des 1. FC Köln nach dem gesicherten Europacup-Comeback nach 25 Jahren.

"Da herrscht eben der absolute Ausnahmezustand." Und so machten nach dem 2:0 (1:0) gegen Mainz 05 nicht nur die FC-Fans die Nacht zum Tag. Den Vier-Tages-Trip nach China ging so mancher Profi nach der ausgelassenen Abschlussparty in der "Halle Tor 2" mit schwerem Kopf an. Auch in den Kneipen floss das Kölsch in Strömen, auf den Ringen gab es Autokorsos. Als besonderes Souvenir präsentierten viele Fans dabei selbst entrissene Stücke des Rasens aus dem Kölner Stadion, auch ein Tor wurde ramponiert. Bis zum ersten Europacupspiel seit einem Vierteljahrhundert braucht der FC also erst einmal eine neue Spielfläche.

Als Party-Biest unter den Spielern präsentierte sich schon direkt nach dem Anpfiff Torjäger Anthony Modeste. Nachdem ihn die Fans auf Händen getragen hatten, suchte der Franzose mit Tränen in den Augen zunächst ein bisschen Ruhe - dann drehte er richtig auf. Zunächst verpasste er mit einem Fünf-Liter-Glas sämtlichen Journalisten eine Bierdusche, dann stürmte er mit einer Handvoll Kollegen die Pressekonferenz und knöpfte sich Trainer Peter Stöger vor.

Der Coach wusste schon, was ihn erwartete - nur verhindern konnte er es nicht. "Macht keinen Scheiß", sagte der Österreicher, als er Modeste und seine Kollegen mit Biergläsern bewaffnet in den ersten beiden Reihen erblickte. Allein, es nutzte nichts. Kaum hatte der Trainer seine Ausführungen mit den Worten "Keine Fragen heute" beendet, stürmten die Spieler auf ihn zu und gossen ihm literweise Kölsch über den Kopf. "Fünf Spieler werden sich einen neuen Arbeitgeber suchen müssen", erklärte er und verpasste Leonardo Bittencourt zwei ironisch gemeinte Ohrfeigen.

Schon als die Fans den Platz gestürmt hatten und sich die Spieler mit vorgefertigten "Europapokaaal"-Shirts und einem Megafon auf der Tribüne feiern ließen, hätte Stöger lieber den stillen Beobachter gegeben und sich in die Katakomben verzogen. Doch sein Assistent Manfred Schmid packte ihn und trug ihn zur jubelnden Meute. Bittencourt war es schließlich, der den ultimativen Party-Befehl ausgab. "Heute gibt es keine Grenzen", sagte er: "Heute lassen wir alle das Auto stehen. Heute wird die ganze Stadt brennen."

8998 Tage war an diesem Samstag das 160. und bisher letzte Europacupspiel des FC her - im September 1992 gab es bei Celtic Glasgow eine 0:3-Niederlage. Torhüter Timo Horn, im Mai 1993 geboren, hat somit noch keines erlebt. "Ich kenne das nur von Erzählungen von meinen Eltern und Großeltern", sagte der gebürtige Kölner, der als Jugendlicher in der Südkurve gestanden hatte.

Nach dem Sieg durch Tore von Nationalspieler Jonas Hector (43.) und Yuya Osako (87.) wurden die vor dem Saisonfinale auf Platz sieben stehenden Kölner noch Fünfter - somit ersparen sie sich nicht nur das einwöchige Zusatz-Zittern bis zum Pokalfinale, sondern auch gleich noch die Qualifikation. "Das ist perfekt", meinte Sportchef Jörg Schmadtke: "Wir können durchplanen ohne Eventualitäten."

Auf Schmadtke, der schon die Außenseiter Alemannia Aachen und Hannover 96 in den Europacup führte, wartet nun viel Arbeit. Er darf mit zusätzlichen Einnahmen planen, muss aber einen größeren Kader als geplant zusammenstellen. Einen kompletten Umbau schloss er aber noch in der Stunde des Erfolgs aus. "Man hat gesehen, dass wir eine gute Mannschaft haben. Im Gros werden wir sicher zusammenbleiben", erklärte er, war sich aber bewusst, dass er im Kampf um begehrte Spieler nun zusätzliche Argumente hat: "Vielleicht können wir nun noch ein I-Tüpfelchen setzen." Ob Modeste bleibt, ist derweil offen. Viele werteten seine Tränen auch als Zeichen des Abschieds.

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