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Deutsche Sprache Ein Festspiel als Zufluchtsort

Kammersängerin Edda Moser organisiert zum zehnten Mal das Festspiel der deutschen Sprache. Grit Warnat hat mit ihr gesprochen.

31.08.2015, 23:01

Volksstimme: Frau Professor Moser, trinken Sie Coffee to go?

Edda Moser: Garantiert nicht. Ich weiß gar nicht, was das ist.

Es ist ein Pseudo-Anglizismus. Coffee to go gibt es im Englischen nicht.

Sehen Sie, das ist doch sehr beschämend. Die Deutschen benutzen englische Wörter, die es gar nicht gibt. Das ist eine Unverschämtheit unserer wunderbaren Sprache gegenüber.

Es ist ein Pseudo-Anglizismus. Coffee to go gibt es im Englischen nicht.

Nein. Ich finde sie unnötig. In der Computersprache kann ich es durchaus nachvollziehen, dass man Begriffe aus dem Englischen benutzt. Aber wenn jemand dem anderen auf den Fuß tritt und „sorry“ sagt, werde ich sauer.

Die digitale Welt hat unsere Sprache verändert ...

... deswegen müssen wir aber trotzdem nicht immer ein Highlight haben und ein Event, zum Meeting gehen oder Smalltalk führen. Wenn ich das höre, setze ich mich zur Wehr.

Wie?

Manchmal gibt es Flüche von mir. Meistens sage ich meinem Gegenüber, dass ich ihn nicht verstehe. Und ich merke dann, dass andere aufatmen, weil ich deutlich sage, dass wir unsere Sprache schützen müssen.

Sind Sie eine Sprach-Nostalgikerin?

Ja, absolut. Worte wie Barmherzigkeit oder Demut sind im Laufe der Zeit verloren gegangen. Heute genieren sich junge Leute, solche Worte im Sprachgebrauch zu verwenden. Das ist traurig. Ich unterrichte selbst und sehe, dass junge Leute meine Hinweise gern annehmen. Man muss es ihnen in einer sympathischen Form darbringen. Da sind Eltern und Lehrer in der Pflicht.

Sprachwissenschaftler warnen, dass unsere Sprache mit - entschuldigen Sie die Begriffe – Twitter, SMS und Whats App verarmt. Wird die Gefahr der Verarmung zukünftig nicht noch größer?

Ich habe die Befürchtung. Es war immer wieder ein Wandel da, und ich bin mir ganz sicher, dass der Wandel hin zur größeren Besinnung auf unsere Sprache wiederkommen wird. Deshalb ist das „Festspiel der deutschen Sprache“ für mich eine Herzenssache. Ich sehe das Festspiel als Zufluchtsort.

Sie haben sich in diesem Jahr für Stücke von Schiller und Kleist entschieden, unsere großen deutschen Klassiker. Können Sie sich vorstellen, dass man deren Sprache in Zukunft nicht mehr versteht?

Ja, das ist meine große Angst. Man hat ja heute nicht mehr den Genuss an der Sprache, weil Inszenierungen an deutschen Theatern viel zu oft verfälschen und den Urgedanken eines Schauspiels mit Füßen treten.

Sind Sie deshalb mit dem Festspiel an das Traditionshaus Bad Lauchstädt gegangen?

Den Anfang nahm das Festspiel auf der Heidecksburg in Rudolstadt. Aber ich war auf der Suche nach etwas Neuem. Hans-Dietrich Genscher, ein Freund von mir, hatte damals gesagt: Gehen Sie mit Ihrem Festspiel nach Bad Lauchstädt. Das Theater dort war genau das richtige, was ich gesucht habe. Ein historisches Haus, das unter Goethes Leitung entstanden war, mit nicht zu vielen Plätzen, so dass man ohne Verstärker glänzend sprechen kann. Dort im Raum verbindet sich hervorragend klassische deutsche Literatur mit unserer Sprache.

Sie haben damals gesagt, Sie möchten ein Bayreuth der deutschen Sprache. Wie ist es um Ihr Bayreuth bestellt?

Bayreuth hatte ja auch klein angefangen. Wir haben zwar keinen König, der uns hilft, aber wir haben andere Leute, die sich mit großer Begeisterung meiner Ideen angenommen haben. Ich denke, das Festspiel ist ein Mekka der deutschen Sprache. Ich will nichts Großes, das Festspiel soll klein, aber fein sein.

Das ist es. Vor allem begeistern Sie immer wieder prominente Schauspieler. Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Ich würde das Festspiel gern verlängern, so dass wir zukünftig vielleicht zwei Schauspiele zeigen können. Ich merke, dass wir von Jahr zu Jahr mehr Erfolg haben. In diesem Jahr sind sogar alle Vorstellungen ausverkauft. Ich freue mich sehr auf das Programm, vor allem auf das philosophische Gespräch um „die Macht der Rhetorik in Deutschland“, die so prägend in unserer Geschichte war.

Sie haben dafür Giovanni di Lorenzo als Moderator gewinnen können.

Ich kenne ihn seit langem.Er hat auch seine Rhetorik, nämlich aus den Menschen das Innerste herauszuholen, ohne sie zu verletzen.

Ein Satz von Ihnen lautet: Sprache ist Rettung. Was meinen Sie damit?

Ich habe viele Jahre in New York gelebt, meine Weggefährten waren alle Juden. Mich hat es immer wieder erstaunt, dass sie 50 Jahre in Amerika gelebt und ihre wunderbare deutsche Sprache in ihren Dialekten bewahrt haben. Wenn ich gefragt habe, wie sie das geschafft haben, haben sie mir gesagt: „Sprache war unsere Rettung und unser portatives Heimatland.“ Dass man die Sprache benutzt, um seine Seele zu retten, das hat mich sehr beeindruckt.