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Literaturpreis Die Schönheit der Sprache

Ann Cotten wird mit dem Landesliteraturpreis geehrt. Grit Warnat hat mit der Lyrikerin und Erzählerin gesprochen.

10.09.2015, 23:01

Volksstimme: Herzlichen Glückwunsch zum Preis. Wie geht es Ihnen?

Ann Cotten: Danke. Ich bin sehr glücklich. Ich habe gerade im Verlag mein neues Buch durchgesprochen.

Worum geht es?

Es geht um eine Verbannung auf eine einsame Insel, auf der dann doch eine Gesellschaft entdeckt wird. Es ist eine Art Robinsonade.

Lyrik, Prosa oder wird es der erste Roman?

Mein neuer Text ist ein Vers­epos in Strophen. Es ist erzählend, es reimt sich und ist metrisch gebunden. Ich habe mit Prosa und Wissenschaftsprosa angefangen und sehe mich gar nicht so sehr als Lyrikerin. Mein Sprachduktus ist vielleicht etwas ungewöhnlich, aber er kommt nicht von der Lyrik.

Woher dann?

Wahrscheinlich von meiner altmodischen Lektüre. Ich lese viele alte Bücher.

Bei „Spiegel online“ wurden Sie als „Heldin der Sprach­abenteuer“ bezeichnet. Sehen Sie sich als Heldin?

Ich reite auf Steckenpferden durch die Bibliotheken und suche Abenteuer. Klar.

Sie schreiben über Liebe, Beziehungen, Wünsche, Hoffnungen sehr radikal, sehr kompromisslos. Sind Sie auch kompromisslos zu sich selbst?

Ich versuche, schon so zu sein, sonst wäre mein Schreiben nur Schminke. Manche Freunde sagen, ich könnte noch radikaler sein, und wundern sich, wie brav ich mich manchmal verhalte. Ich bin aber nicht radikal um der Radikalität wegen, sondern weil ich vieles nicht erträglich finde. Anderes wiederum begeistert mich allzusehr. Ich mochte nie das Moderate. Heute erkenne ich langsam, dass Konfuzius und meine Mutter recht hatten, den Weg der Mitte zu empfehlen. Ich bemühe mich, aber es fällt mir schwer.

Wie perfekt wollen Sie sein?

Absolut perfekt, natürlich. Aber das wird nie gelingen. Es stehen immer noch die unmöglichsten deutschen Sätze in meinen Texten.

In einem Interview mit Literaturkritiker Denis Scheck hatten Sie gesagt, dass Sie sich manchmal in Einzelheiten verbohren und das nicht gut finden.

Ich habe manchmal einen Tunnelblick, verliere mich in Einzelheiten. Das ist nie gut, man wird ohnmächtig und grantig. Ich muss bei meiner Arbeit oft aufblicken, mich umsehen, die Angelegenheiten souverän gewichten und loslassen können. Da ich das mit den meisten Menschen gemeinsam habe, kann genau dieser Prozess, im Text durchgeführt, etwas Erlösendes haben.

Brauchen Sie zum Schreiben eine besondere Stimmung?

Nein. Die Gedanken haben eine Eigendynamik. Sie erzeugt erst die Stimmungen. Wie wenn Chromosomen herumschwirren, und dann werden sie plötzlich von den Polen angezogen und setzen sich richtig zusammen: Irgendwann mündet der Denkprozess in einen Text – oder eine andere Art von Handlung.

Kritiker loben Ihre Arbeit als kostbare Literatur. Woher kommt Ihr Talent?

Ich glaube, es setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Ich bin musikalisch, habe ein Instrument gelernt. Ich liebe die Schönheit in der Sprache, in den Sätzen und habe ebenso Freude an schönen Mustern. Meine Eltern sind Biochemiker. Sie müssen komplexe, logische Versuche aufbauen, um Dinge zu beobachten, die auf einer unsichtbaren Ebene geschehen, das ist nicht so anders als bei den Gedanken. Diese Art zu denken trainiert sicher einen Instinkt für schöne Systeme.

Schreiben Sie auch auf Englisch?

Immer mehr. Es kommt jetzt auch ein Buch auf Englisch mit meinen Gedichten heraus, „Lather in Heaven“. Es enthält Prosa, Theorie und Gedichte, wobei die Gedichte alle original auf Englisch entstanden sind.

Sie sind preisverwöhnt. Jetzt kommt der Klopstock-Preis des Landes Sachsen-Anhalt hinzu. Was bedeutet Ihnen der Preis?

Das Land hat seine Literaturpreise neu organisiert, so dass ich den ersten Klopstock-Preis erhalte. Ich bin also Teil eines Umbruchs, das ist interessant: Es ist vielleicht noch nicht abgesteckt, was der „Preis für neue Literatur“ bedeutet – es klingt utopisch und das unterscheidet es von anderen Preisen. Auch wenn mir versichert wurde, so wörtlich sei es mit „neu“ nicht gemeint, kann ich ja trotzdem auf produktive Missverständnisse in dieser Hinsicht hoffen. Für mich ist es außerdem ein Anlass, mich wieder mit Klopstock zu beschäftigen. Ich bin sehr dankbar für den Preis, der mir und meinen Freunden weitere radikale Arbeit ermöglicht, und neugierig auf Sachsen-Anhalt.

 

Lesung mit Ann Cotten und dem Förderpreisträger Mario Schneider am 12. September, 19 Uhr, im Schloss Wernigerode. Der Eintritt ist frei.